Ausstellungsempfehlung für Berlin: Back to Bowie
Der Filmemacher und Künstler Christopher Petit zeigt neue Arbeiten im Kunstraum Decad. Begleitend zur Ausstellung läuft dort auch eine Auswahl seiner Filme.
Das Hochformat ist das neue Querformat. Alle hantieren wir mit dem Smartphone, einer Art kleiner, selbstleuchtender Buchseite. Wir lesen, statt zu schauen − und wir sind nicht mehr modern. Denn die Moderne brachte den Durchbruch des Querformats. Deshalb kämpfte Le Corbusier für das breite Panoramafenster in der Architektur, als Screen, wie er von der Doppelseite der Magazine, der Kinoleinwand und der Windschutzscheibe des Autos bekannt war.
Nirgendwo ist die mediale Moderne so direkt erfahrbar wie in „Radio On“ (1979), Christopher Petits Debütfilm. In diesem ultimativen Road Movie gelangen Martin Schäfer, dem Kameramann, Schwenks, die einem den Atem rauben und zeigen, was Landscape − wie das Querformat im Englischen heißt – wirklich bedeutet.
Wir hören auch nicht mehr gut, nachdem das Smartphone auch ein Player ist. Seine unabdingbaren Kopfhörer bedeuten einen weiteren Abschied von der Moderne, in der Autofahren und (raumfüllendes) Musikhören eins waren. Nirgendwo ist auch das so direkt zu erleben wie bei „Radio On“, dessen Tonspur extrem spannend ist; nicht allein wegen der exquisiten Playlist, sondern auch wegen der Symphonie der Originalgeräusche und -dialoge. David Bowie war neben anderen der Star dieser Tonspur.
Das diffuse Bild Bowies, wie ihn Petit über die Jahre von verschiedenen Fernsehbildschirmen aufnahm, steht nun auch im Zentrum seiner Ausstellung „In What’s Missing, Is Where Love Has Gone“, die den Bowie-Film „The Man Who Fell to Earth“ mit „Radio On“ verschränkt und die mit neuen Werken, einer Soundarbeit, Fotografien, Texten und Videos auf die zeitgenössische Welt nach der Moderne reagiert.
Die taz sprach mit dem organisatorischen Team von Decad, dem not-for-profit Kunstraum in Berlin Kreuzberg, der ab Dienstag Petits Ausstellung ausrichtet.
Einblick (663): Julianne Cordray, Eva Wiedemann, Ignas Petronis, Rachel Alliston, DECAD Kunstraum
taz: Welche Ausstellung in Berlin hat euch zuletzt an- oder auch aufgeregt? Und warum?
JC: Wendelin von Oldenborgh in der daadgalerie.
IP: Chto Delat in der Galerie KOW. Das Video ist für sich selbst auch ein großartiges Kunstwerk.
Decad, Eröffnung: 14. 3., 18 Uhr,
Do.–Sa., 14–19 Uhr bis 20. 3., Gneisenaustr. 52
RA: Loretta Fahrenholz in der Galerie Buchholz. Ich schätze sehr, dass Fahrenholz das ungestüme Surreale mit einem sehr zeitgenössischen Realismus verbindet. Es entspricht genau der Zeit.
Welches Konzert oder welchen Klub könnt ihr empfehlen?
EW: Boiler Room, CTM Festival.
Welche Zeitschrift und welches Buch begleitet euch zurzeit durch den Alltag?
RA: Eine Biografie von Lady Bird Johnson, mit dem Untertitel: „Our Environmental First Lady“.
IP: Lucy Lippard, „Mixed Blessings“.
EW: Jean Genet, „Notre Dame de Fleurs“.
JC: Patti Smith, „M Train“.
Was ist euer nächstes Projekt?
IP: Decads Ausstellungsprogramm beginnt diesen Monat mit der Ausstellung von Christopher Petits Werken, die kuratiert wird von Louisa Elderton und Jelena Seng. Die Ausstellung beginnt am 14. März und läuft für zehn Wochen.
Der not-for-profit Kunstraum Decad wurde 2012 von Rachel Alliston gegründet. Seitdem kamen die Kunstkritikerin Julianne Cordray, Kurator Ignas Petrois und Eva Wiedemann, Anwältin für Kunstbelange, hinzu. Das Team widmet sich mit Vorträgen, Ausstellungen, einer Forschungsbibliothek und einem Archiv der gesellschaftskritischen Kunstpraxis.
JC: Daneben wird es eine Retrospektive von Petits Spielfilmen geben, die als Teil unseres Programms im Hinterhaus im Zusammenhang mit der Ausstellung im Vorderhaus stattfindet.
RA: In derselben Woche halte ich ein Künstlergespräch über meine Arbeit, das den Titel „The Artist as Organizer“ hat. Dieses findet am Freitag, den 10. März im Kunstraum Das Kapital statt.
EW: Und ich bereite mich gerade auf den Abschluss meines LL.M. im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht vor.
Welcher Gegenstand/welches Ereignis des Alltags macht euch am meisten Freude?
JC: Frühstück.
EW: Seit Kurzem genieße ich den täglichen Spaziergang mit meinem Baby entlang des Paul-Lincke-Ufers.
IP: Das Abendessen zu kochen, obwohl ich es leider nicht schaffe, das zu einer täglichen Routine zu machen.
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