piwik no script img

KUNST

KunstNoemi Molitorschaut sich in Berlins Galerien um

Als Gegenstück zur 100.000-jährigen Zersetzungsproblematik von Atommüll im finnischen Endlager Onkalo, die letztes Jahr den Corridor I bei insitu verstrahlte, fragt „Corridor II: Pachamama“ was es heißen könnte der ecua­dorianischen Verfassung zu folgen, die der Natur seit 2008 Rechte zusichert. Es riecht nach dem Mulch, mit dem der Boden bedeckt ist. Adrien Missikas auf Wasser schwimmende Blätter weisen den Weg nach Norden, sie transportieren magnetisierte Nähnadeln, die ihren Kurs bestimmen. Das „Snail Chewing Listening Device“ (2012) von Hartmut Stocker, eine Metallschnecke auf Salatkopf, beschwört Schmatzgeräusche herauf. Auch in Daniel Steegmann Mangranés Videoarbeit „Teque-teque“ (2010) sind Tiere zu hören, aber nicht zu sehen. Eine Lichtung im brasilanischen Regenwald kippt auf der Leinwand ständig auf die Seite, der kleine titelgebende gelbe Vogel ist nirgends zu erkennen. Wahrscheinlich ist er immer genau dann da, wenn das Bild glitched. Auch die Hologramme von Pflanzengeistern, die Elsa Salonen zwischen Glasflaschen mit Pflanzen­eli­xieren aufsteigen lässt, verschwinden je nach Blickwinkel in den Äther. Justine Blaus „Hibajukumoku“ (Ein Geschenk), 1 zu 10-Papierreplik eines über 390 Jahre alten Bonsais, deutet zurück auf das atomare Onkalo. Der Baum überlebte die erste Atombombe in Hiroshima und bewohnt heute als Zeitzeuge das Bonsai-Museum in Washington D. C. (bis 13. 5., Do.–Fr., 16–19, Sa. 14–18 Uhr, Kurfürstenstr. 21–22).

Vom Wald in den Schutzkeller? „Aufzeichnungen aus dem Kellerloch“, die aktuelle Ausstellung in der Studiogalerie im Haus am Lützowplatz – kuratiert von Maler Philip Grötzinger –, vermittelt einen dystopischen Flair von gescheiterter Meditation und obsessivem Work-out. Vor Caroline Kryzeckis „wall piece #3“ (2017), einer flirrenden optischen Täuschung in Form eines wandfüllenden schwarz-weißen Rasters, liegen Props aus der Videoarbeit „M5MCHR“ von Adrian Loh­mueller: Proteinshakes, Matten und weiße Servietten. Im Video schwappt schwarzes Dosenjelly auf den Teller: Beware of the Self-care (bis 9. 4., Di.–So., 11–18 Uhr, vom 20. 3.–6. 4 wegen Umbaus geschlossen, Lützowplatz 9).

Ein mikroskopischer Blick auf die Natur zeichnet auch die Videarbeiten von Katarina Murto aus. Für die Gruppenausstellung „dis-“, die am Samstag bei tête eröffnet, sind Murto und ihre kuratorische Partnerin, die Fotografin Ayala Gazit, allerdings linguistisch-konzeptuell vorgegangen: Die Titel aller gezeigten Arbeiten beginnen mit den besagten drei Buchstaben. Wie wir im tazplan zu rufen pflegen: Disko! (11. 3., 19 Uhr; bis 30. 3., Besuch nach Vereinbarung: info@tete.nu, Schönhauser Allee 161A).

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen