Berliner Szenen: Smart joggen
Die Siri-Beschimpfung
„Siri, Alte, jetzt halt mal den Mund“, schimpfe ich beim Joggen vor mich hin. Die Leute an der Ampel kurz vorm Treptower Park gucken mich schon komisch an. Ich habe Kopfhörer auf den Ohren und ein Smartphone in der Hand, vielleicht denken sie, ich telefoniere und streite mich mit meiner Freundin. Ganz so ist es nicht. Ich will mit dem Gerät eigentlich nur Musik hören. Aber plötzlich schaltet sich die allwissende iPhone-Siri ein und sagt: „Entschuldigung, das habe ich nicht verstanden.“ Auch jetzt wieder, als ich sie beschimpfe.
Ich muss das wohl erklären: Der Touchscreen meines Smartphones ist kaputt, und seither funktioniert es, sagen wir euphemistisch, nur noch eingeschränkt. Wenn ich Bowie hören will, kommt Metallica, wenn ich meine Schwester anrufen will, bekomme ich die Exfreundin in die Leitung, und wenn ich ein Lied skippen will, dann kann es eben passieren, dass die persönliche Apple-Assistentin sich zu Wort meldet, die darauf wartet, dass man sie befragt.
Ich halte noch mal an, drücke wie wild auf dem Knopf rum, aber Gewalt bringt bei diesen smarten Dingern natürlich nichts. Immerhin hatte ich herausgefunden, dass es etwas bringt, das Touchscreen anzuhauchen, also Feuchtigkeit auf die Fläche aufzutragen. Das mache ich jetzt. Wieder gucken die Leute etwas blöd; ein Mann, der sein Smartphone anhaucht – das sieht wahrscheinlich auch nicht so intelligent aus. Derweil renne ich fast in einen entgegenkommenden Jogger hinein, auch er schaut auf seinen Handcomputer.
Siri verstummt schließlich, endlich. Aber die Beatles und die Beginner leider auch, sie lassen sich nicht anklicken. Ich schalte das Ding ganz ab. Neulich hat mir eine Bekannte einen Tausch mit einem alten Nokia-Handy angeboten. Wenn sie noch einen Discman drauflegt, steht der Deal. Jens Uthoff
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen