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Druck von unten

Die Gaspreiserhöhungen bringen nicht nur BürgerInnen, sondern auch Kommunen ins Schwitzen: Nach der Stadt Schortens will nun auch die Gemeinde Rhauderfehn die neuen Preise nicht bezahlen

von Klaus Irler

Ein Merkurstab, der nach unten hin zu einem Anker wird – so sieht das Wappen der 17.000 EinwohnerInnen der Gemeinde Rhauderfehn im Nordwesten Niedersachsens aus. Schifffahrt und Handel also, der Handel mit Merkur gleich göttlich hochgehängt. Und dann kam der Gaslieferant EWE und erhöhte die Preise zum 1. August 2005 um satte 14,2 Prozent. Handeln? Nicht möglich, das verhindern die Vertragslaufzeiten, die Monopolstellung des Gasversorgers vor Ort und die nicht offen gelegten Preiskalkulationen.

Das wollte der Gemeinderat von Rhauderfehn nicht akzeptieren und verabschiedete Anfang der Woche einstimmig eine Resolution, in der er den Energieversorger EWE auffordert, die Gaspreiserhöhung zum 1.1.2006 auszusetzen. Falls die EWE das ablehnt, will die Gemeinde schlicht nur noch den Abschlag zahlen, den sie vor der Preiserhöhung gezahlt hat. Die Gemeinde sehe durch die Preiserhöhung ihre Bürger finanziell überfordert und die Sparmaßnahmen der Kommune gefährdet, so Jürgen Crone von der Gemeinde Rhauderfehn. Ferner fühle sich der „Gemeinderat nicht richtig informiert über die Preisgestaltungspolitik der EWE“.

Rhauderfehn ist damit nach der Stadt Schortens die zweite niedersächsische Kommune, die sich mit aller Konsequenz gegen die Preiserhöhung der EWE stellt. Die EWE habe daraufhin „allen Gemeinden angeboten, zusätzliches Informationsmaterial bereitzustellen – wir versuchen die Zweifel auszuräumen“, so EWE-Sprecher Daniel Waschow. Aber kommt es zu Klagen, wenn die Kommunen hart bleiben? „Wir schließen juristische Schritte nicht aus“, sagt Waschow.

Dabei könnten Rhauderfehn und Schortens nur der Anfang sein: Joachim Vollmer vom Niedersächsischen Städte- und Gemeindebund erwartet ein weiteres Anwachsen des Protests im Land. „Die Gemeinden erzeugen einen Druck von unten auf die bundespolitische Diskussion bei der Frage der Bindung des Gaspreises an den Ölpreis“, so Vollmer – die Energieversorger nämlich argumentieren, die Gaspreiserhöhungen seien eine Folge des gestiegenen Ölpreises. „Zweitens fordern die Gemeinden Transparenz bei der Preiskalkulation. Das ist nur recht und billig: Der Kunde muss den Preis nachvollziehen können.“

Vom Wirtschaftsministerium erwartet Vollmer, dass es „der Sache mit Nachdruck nachgeht“ – das hessische Wirtschaftsministerium beispielsweise hat sich mit mehreren Gas-Versorgern auf eine Rücknahmen von Preiserhöhungen verständigt. Warum das in Niedersachsen nicht geht? „Wir beobachten die Preisentwicklungen in Niedersachsen, haben aber noch keinen Überblick, wie die Situation aussieht“, so Andreas Beuge, Sprecher des niedersächsischen Wirtschaftsministeriums. Tätig werde das Ministerium erst „im Zuge missbräuchlichen Verhaltens“.

Zunächst also wird weiter erhöht: In Südniedersachsen hebt die RWE die Preise zum 1.Oktober um 8,7 Prozent an, in Hannover kostet Gas ab dem 1. Oktober 12,7 Prozent mehr. Die Bremer erwischt es ebenfalls ab Oktober mit 16,4 Prozent, wohingegen in Hamburg der Preis laut E.on Hanse in diesem Jahr stabil bleiben soll. Das ist recht, aber nicht billig: Zuvor gab es an der Elbe innerhalb eines dreiviertel Jahres drei Erhöhungen um insgesamt mehr als 25 Prozent.

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