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Mit Zucht zu neuer Ordnung

Landwirtschaft In Bayern wird erstmals Spelzhafer biologisch-dynamisch gezüchtet. Und die Akteure planen bereits den nächsten Schritt

So wird’s gemacht

Bei der Züchtung werden Sorten miteinander gekreuzt, damit sie neue Eigenschaften entwickeln oder Kombinationen von Eigenschaften, die es vorher so noch nicht gab. 
 Sorten die bei ökologischer Züchtung herauskommen, haben gezielt andere Eigenschaften als unter konventionellen Bedingungen.

Wenn die Züchtung vollendet und genehmigt ist, beginnt die Saatgutvermehrung durch Aussaat und Ernte. Bei der konventionellen Vermehrung wird das Saatgut mit chemisch-synthetischen Mitteln gebeizt. Im Feld können diverse Spritzmittel eingesetzt werden, wie Halmverkürzer, Herbizide, oder Pestizide. Ökologische Saatgutvermehrer vermehren das konventionell hergestellte Saatgut ungebeizt und verkaufen es dann als Ökosaatgut an Landwirte.

Bei Genbanken sind Alte Hafersorten erhältlich. Viele stammen aus konventioneller Züchtung. Die ganz alten, sogenannte Landsorten, gelten unter heutigen Bedingungen als ungeeignet für den Anbau.

Für die biologisch-dynamische Züchtung des Spelzhafers müssen daher auch konventionelle Sorten als Kreuzungseltern verwendet werden, da diese gute Eigenschaften mitbringen. Sie werden mit alten Sorten gekreuzt.

Seit dem frühen Mittelalter war Hafer eine der bedeutendsten Feldfruchtarten in Europa. Noch 1939 rangierte er in der weltweiten Bedeutung nach Weizen und Mais an dritter Stelle der wichtigsten Getreidearten. In Deutschland war Hafer bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts nach Roggen die wichtigste Getreideart. Ein Grund dafür: Er versorgt uns – anders als Reis oder viele andere Getreidearten – bereits über kleine Verzehrmengen mit vielen Nährstoffen. Durch die Motorisierung verlor Hafer als Pferdefutter an Bedeutung. Unbestritten bleibt jedoch der Wert für die menschliche und tierische Ernährung. Laut Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter bauten Landwirte in Deutschland 2016 auf über 115.000 Hektar Hafer an und ernteten im Durchschnitt über 47 Dezitonnen pro Hektar. Die Erntemenge lag 2016 in Deutschland bei rund 543.000 Tonnen.

Den weltweit ersten Spelzhafer aus biologisch-dynamischer Züchtung finanziert nun der Knuspermüslihersteller Barnhouse. Er soll auf den Feldern seiner regionalen Partnerlandwirte wachsen. Vierzig Landwirte bauen für Barnhouse Hafer und Dinkel an. „Derzeit stammt das Saatgut aller Hafersorten, die ökologisch angebaut werden, aus konventioneller Züchtung“, erklärt Barn­house-Gründerin Sina Nagl. „Bei der Saatgutproduktion findet oftmals lediglich die letzte Vermehrungsstufe unter ökologischen Bedingungen statt.“ Eine von Beginn an ökologisch gezüchtete Gelb- und Weißhafersorte gibt es bislang weltweit nicht. Eine Kooperation mit dem Dotterfelderhof im Bayerischen Bad Vilbel soll dies ändern, „die einzige Initiative, die Spelzhafer nach den Richtlinien der biologisch-dynamischen Landwirtschaft züchtet., so Nagl. Der Biohafer soll widerstandsfähiger gegen Krankheiten wie Flugbrand sein, die der konventionelle „Kollege“ einfach wegspritzt. Für die notwendige Einstreu im Biohofkreislauf soll die Biozüchtung auch mehr Halm produzieren.

Da die Entwicklung und Anmeldung dieses Hafers aufwändig und teuer ist, unterstützt und begleitet Barnhouse das Saatgutprojekt finanziell bis 2018 mit insgesamt 45.000 Euro. Eine notwendige Finanzierung, um die letzten Hürden für die Saatgutzulassung zu nehmen. „Und eine lohnenswerte Investition in die Weiterentwicklung des Ökolandbaus“, ergänzt Sina Nagl. Die bisherigen Erfolge bei der Züchtung des „Barnhouse-Hafers“ seien äußerst vielversprechend. „Auf dem Feld unseres Partnerlandwirts Sepp Braun gedeiht der Hafer im Test bereits ganz hervorragend.“

Die Entwicklung und Anmeldung des Hafers ist aufwändig und teuer

In Zusammenarbeit mit dem Biobauern werden zudem die Weichen für den nächsten Schritt gestellt: das Zwei-Nutzen-Feld. Denn der ökologisch gezüchtete Hafer eignet sich für eine Unterpflanzung mit Leindotter. „Leindotter ist nicht nur eine wertvolle Ölpflanze, sondern auch ein sehr guter Bodenverbesserer“, erläutert Nagl, „und während der Blütezeit eine wichtige Nahrungsquelle für die Bienen.“ Das Zwei-Nutzen-Feld soll damit auf einer Fläche zwei für Mensch und Natur wichtige Kulturpflanzen vereinen. LK

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