Was bisher geschah: 13 bis 15 Zeichen pro Sekunde
Untertitel können Filme ruinieren. Sind sie schlecht, wird der Kinobesuch zum Albtraum: Die Zuschauer*innen starren auf den Text, können sich nicht auf die Bilder konzentrieren und der Geschichte nicht folgen, die Atmosphäre des Films geht verloren, die Ästhetik, die Dramatik. Am vergangenen Donnerstagvormittag kamen im HAU Expert*innen zusammen, um beim Panel „More Than Words: Subtitling and Live Voice-Over“ über die Arbeit mit Untertiteln zu sprechen.
Wenn Andrea Kirchhartz auf Partys ihren Beruf nennt, stößt sie oft auf Unglauben: „Untertitlerin? Ist das ein Beruf?“ Doch nicht nur Laien, sondern auch vielen im Filmbusiness ist die bedeutsame Rolle der Untertitler*innen nicht bewusst. „Wir sind die letzten Mitglieder in der Produktion und die ersten Zuschauer. Es ist der Punkt, wo sich zwei Welten treffen“, sagt Kirchhartz. Am Ende einer Produktion fehlt oft das Geld, für die Untertitel wurde kein Budget einkalkuliert, und dann geht es darum, den Film so billig und schnell wie möglich zu übersetzen. Manchmal sei dann aus der Produktionsfirma irgendjemand, der für ein paar Wochen in Spanien herumgereist ist, für die spanischen Untertitel zuständig, sagt Kirchhartz.
Mit ihrer britischen Kollegin Rebekah Smith zeigt sie anhand einer üblichen Software, wie Untertitler*innen arbeiten. Die Bild- und die Tonspur sind zu sehen. Man kann den Text direkt eingeben und bestimmen, zu welcher Zeit und wie lange er eingeblendet werden soll. Viele Regeln müssen beachtet werden, zum Beispiel dürfen es nur maximal zwei Zeilen sein. 13 bis 15 Zeichen schafft man pro Sekunde zu lesen. Ein Satz muss auf sinnvolle Weise geteilt werden. „Untertitel zu kreieren ist so ähnlich wie das Übersetzen eines Gedichts“, sagt Kirchhartz. „Man muss sich an die Vorgaben halten und gleichzeitig dem Inhalt gerecht werden.“
Schwierig wird es, wenn eine Person schnell redet oder keinen Punkt findet. Wann wählt man für das englische „you“ „du“ oder „Sie“? Wie übersetzt man, wenn der Film für Kinder ist, die noch nicht lesen können? Beatrice von Moreau demonstriert, wie „live voice-over“ funktioniert: Sie spricht aus dem Off die Übersetzung über den Originalton einer Filmszene drüber.
Die französische Regisseurin Marie Dumora und der britische Untertitler Ian Burley haben zusammen intensiv an den Untertiteln von „Belinda“ gearbeitet. „Mein Englisch ist sehr schlecht“, sagt Dumora, „deswegen musste ich ihm sehr vertrauen.“ An einem Filmausschnitt wird deutlich, wie gute Untertitel wirken: Sie fügen sich in den Rhythmus des Films, werden eins mit Bild und Ton. Die Zuschauer*innen tauchen in die Geschichte ein und vergessen, dass sie eine Übersetzung lesen. Julika Bickel
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