piwik no script img

Straßenräuberinnen verunsichern Hellersdorf

Prozess Mutmaßliche Anführerin einer Mädchengang wegen Raubes angeklagt

Vier Jungs, drei Mädchen, zwei Messer. Vier Handys, eine BVG-Monatsmarke und zehn Euro. Das ist der Stoff, über den das Berliner Landgericht seit Freitag verhandelt. Doch es waren nicht die Jungs, welche die Mädchen auf einem Hellersdorfer Fußballplatz an der Fritz-Lang-Straße überfielen: Zwei Lauras und eine Linda betätigten sich im September 2016 als bewaffnete Straßenräuberinnen. Linda und eine der Lauras haben Glück, ihre Verbrechen werden nach dem Jugendstrafrecht geahndet. Die 26-jährige Laura S. hingegen saß bereits einen Tag später im Untersuchungsgefängnis. Ihr drohen mindestens fünf Jahre Haft.

Gelassen sitzt die attraktive Altenpflegerin vor dem Richter. Die Augenbrauen sind sorgfältig gezupft, die geglätteten Haare zum hohen Pferdeschwanz gebunden. Ab und zu wirft sie einen flirtenden Blick zu einem jungen Mann im Publikum, dessen Hals deutlicher tätowiert ist als ihrer. Laura S. sitzt wohl nicht das erste Mal auf der Anklagebank. Das Sprechen überlässt sie ihrem Anwalt. Der sagt: „Die Taten werden nicht in Abrede gestellt.“ Was genau passiert ist, muss das Gericht mithilfe von Zeugen klären.

Kriminelle Mädchen

Die Opfer sagen als Zeugen, kurz nach halb sieben Uhr hätten sie eine fünfköpfige Mädchengruppe gesehen. Der 16-jährige Roy kannte eine von ihnen und grüßte über die Straße. Der 17-jährige Fabian wusste aus der Schule, „dass die Mädchen kriminell sind“. Dennoch machten sie sich keine Sorgen, als diese ihnen zum Fußballplatz folgten. Die Jungs setzten sich auf einen Hügel, plötzlich waren sie von den drei Räuberinnen umzingelt.

„Die kamen mit ihren schönen Spielzeugen an, ihren Messern“, berichtet der 20-jährige Danny. Die Lauras hielten ihnen die Waffen an den Hals, alle drei forderten und bekamen Handys sowie Portemonnaies. Anschließend soll sich Linda auf Fabian gestürzt haben, weil sie mit dessen bester Freundin „Stress“ hatte. Genaueres weiß nicht einmal Fabian selbst. Es sei ihm aber gelungen, den Tritten und Schlägen auszuweichen, sagt der Zeuge.

Roy berichtet, dass Laura S. ihm dann ihr eigenes Handy hingehalten habe. Er sollte zu ihrem Gesprächspartner sagen: „Laura is the King.“ Außerdem befahl sie: „Merkt euch unseren Namen – Laura.“ Warum tat sie das? „Es gibt ja in Hellersdorf viele, die einen Namen haben, vielleicht wollte sie dazugehören?“, überlegt der Zeuge. Möglicherweise aber standen die Mädchen unter dem Einfluss von Amphetaminen – die Zeugen sagen, die Täterinnen hätten große Pupillen gehabt.

„Und wie ging es dir danach?“, fragt der Richter jeden Zeugen. „Komisches Gefühl“ oder „krasses Gefühl“, lauten die Antworten. „War sicher ein Schock“, wendet sich der Richter mitfühlend an einen dritten Zeugen. „Mich juckt so was nicht“, erwidert dieser. Was anderswo verwundert und entsetzt – in Hellersdorf scheint die gleichberechtigte Teilhabe der Geschlechter an der Kriminalität bereits akzeptiert zu sein. Uta Eisenhardt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen