ELN: Die Zivilgesellschaft soll von Beginn an dabei sein

KolumbienDie Gespräche zwischen Regierung und der kleineren Guerilla sind anders als mit der Farc

„Die Verfahren sind unterschiedlich, das Ziel ist das gleiche“

Präsident Juan Manuel Santos

BUENOS AIRES taz | Am Dienstag haben die kolumbianischen Regierung und die Guerilla ELN (Nationale Befreiungsarmee) offiziell ihre Gespräche über ein Friedensabkommen aufgenommen. Nach erfolgreichem Abschluss des Abkommens mit der größeren Farc-Guerilla im vergangenen Jahr gehe es jetzt um einen vollständigen Frieden, sagte Präsident Juan Manuel Santos. „Die Verfahren sind unterschiedlich, das Ziel ist das gleiche“, sagte er.

Die „Beteiligung der Zivilgesellschaft am Aufbau des Friedens“ ist das erste der sogenannten sechs Prinzipien auf der Tagesordnung von ELN und Regierung. Anders als die Farc, die immer auf Augenhöhe und als gleichberechtigter Verhandlungspartner mit der Regierung allein am Verhandlungstisch Platz nahm, verlangt die ELN, dass von Beginn an VertreterInnen der Zivilgesellschaft beteiligt sein sollen. Die Farc hatte erst spät während der vierjährigen Verhandlungen der Anhörung von Opferverbänden und dem Einbringen von Vorschlägen aus der Zivilgesellschaft zugestimmt.

Und während die Farc vor allem auf eine Landreform pochte, will die ELN gerade auch die sozialen städtischen Bewegungen beteiligen. Unklar ist jedoch, wer konkret mit am Tisch sitzen wird.

Die Farc begriff sich als eigenständige Guerillaorganisation mit zentralistischer Führungsstruktur im bewaffneten Kampf gegen einen repressiven Staat und der hinter ihm stehenden Agraroligarchie. Die ELN hingegen sieht sich als Vermittlerin einer Zivilgesellschaft, die eine soziale Umwälzung der Gesellschaft einfordert.

Was sich nach längst überholtem ideologischem Ballast anhört – sowohl Farc als auch ELN finanzieren sich seit Jahren aus Drogenhandel, Lösegeld für Entführte sowie Schutzgelderpressungen –, hat für die Art der Verhandlungsführung konkrete Folgen: Rund drei Jahre dauerten allein die geheimen Sondierungsgespräche zwischen Regierung und ELN, bis die Tagesordnung stand.

Die schon für letzten Oktober angekündigten Gespräche wurden verschoben, da die Guerilla aus Sicht der Regierung eine Bedingung nicht erfüllte: die Freilassung aller Geiseln, darunter der im April 2016 entführte ehemalige Kongressabgeordnete Odín Sánchez, der schließlich am 2. Februar freigelassen wurde. Im Gegenzug begnadigte die Regierung die beiden Gefangenen Nixon Cobos und Leivis Valero, die nun als Guerillavertreter mit am GeTisch sitzen.

Ob am Ende tatsächlich soziale Veränderungen ausgehandelt werden, ist offen. Dagegen dürfte die bereits mit der Farc vereinbarte Übergangsjustiz ebenso übernommen werden wie die Vereinbarungen zur Waffenabgabe, zur politischen Eingliederung und der Sicherheitsgarantien.

Die Zahl der ELN-Rebellen wird auf rund 1.500 bewaffnete Frauen und Männer geschätzt. Vermutet wird, dass sie in den städtischen Zentren von ebenso vielen SympathisantInnen unterstützt wird. Während die Gründung der Farc auf die Landkonflikte der 1960 Jahre zurückgeht, wurde die ELN 1964 von gewerkschaftlichen und studentischen AktivistInnen gegründet, von denen viele stark von Che Guevara beeinflusst waren. Hinzu kamen führende Anhänger der Theologie der Befreiung: Dass die jetzt begonnenen Gespräche auf einer Jesuitenfarm in der Nähe der ecuadorianischen Hauptstadt Quito geführt werden, ist kein Zufall.

Jürgen Vogt