Lüssum Die Familie des ermordeten Odai K. zieht um: Neben den Familien der mutmaßlichen Täter kann sie nicht leben
: Bedrohliche Nachbarn

„Wir wollen, dass unsere Mieter sich wieder wohlfühlen können“

Ein Sprecher der Vonovia Wohnungsbau AG

Wem gehört die Straße, das ist die Frage, die sich nach dem brutalen Mord an dem 15-jährigen syrischen Jungen Odai in Bremen-Lüssum stellt. Zu Pro­blemen führt, dass die Familien der mutmaßlichen Täter und die des Opfers dort in engster Nachbarschaft leben.

Allerdings sieht die Polizei keine Handhabe, die Familie der Tatverdächtigen zum Umzug zu zwingen. Drei der acht mutmaßlichen Täter sitzen in Haft. Sie werden auch eines Mordversuchs in der Neustadt beschuldigt und sind der Polizei wegen Rauschgiftdelikten bekannt.

Die Wohnungsbaugesellschaft Vonovia hat das „Haus der Zukunft“ angesprochen, ein Sozialzentrum in der Straße und direkt gegenüber von der Stelle, an der die Täter in der Silvesternacht so intensiv auf den Kopf von Odai getreten haben, dass er später an inneren Blutungen verstarb.

„Wir wollen, dass unsere Mieter sich wieder wohlfühlen können“, erklärte der Sprecher der Vonovia zur taz.

Dass die Familien der Tatverdächtigen durch solche sozialen Initiativen erreicht werden können, ist aber nach den Vorkommnissen dieser Woche zu bezweifeln. Wie die jüngere Schwester des ermordeten Jungen berichtete, hat sie Todesangst, nachdem ein silberner Mercedes mit großer Geschwindigkeit in der engen Wohnstraße auf sie zugefahren gekommen sei und scharf bremste. Die Insassen hätten sie beschimpft und ihr gedroht, berichtete sie.

Sie nannte die Namen der Auto-Rowdies – sie wohnen kaum 200 Meter entfernt, beide gehören zu den Familien der Tatverdächtigen. „Ich habe es der Polizei gesagt, und die haben gesagt, sie können leider nichts machen“, berichtet die Schwester in einem Video-Interview in den sozialen Netzwerken. Die Kriminalpolizei betont, sie sei den Hinweisen der Schwester nachgegangen – allerdings ohne Ergebnis: „Die Befragung ergab keine Hinweise auf eine Bedrohung.“

Die Folge: Die Familie des Opfers sieht sich genötigt, die Lüssumer Heide zu verlassen. Die Wohnungsbaugesellschaft Vonovia hat selbst Ersatzwohnungen angeboten und will den Umzug unbürokratisch unterstützen. Am Donnerstag haben sich 80 Menschen zu einer kleinen Demonstration in der Lüssumer Heide getroffen, um zu zeigen, dass die Straße nicht immer der Täterfamilie gehört.

Klaus Wolschner