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Seit dem Krieg gehütetes Geheimnis

Dokfilm „Erzähl es niemandem!“ oder Die dramatische Lebens- und Liebesgeschichte der Norwegerin Lillian Crott Berthung

Mit zauberhaften Winterbildern von der norwegischen Küste nördlich der Lofoten führt „Erzähl es niemandem!, ein Film des Kölner Fernsehdokumentaristen Klaus Martens, in die dramatische Lebens- und Liebesgeschichte seiner neunzigjährigen Protagonistin Lillian Crott Berthung ein.

Farbig leuchten die Holzhäuser des Hafenstädtchens Harstad in der Sonne, auf einem Hügel unter dicken Schneeschichten liegt der Friedhof, wo die vitale Norwegerin das Grab ihres 2008 verstorbenen deutschen Ehemanns Helmut Crott besucht. Musik begleitet die Szenen, in denen die alte Dame an ihrem Schreibtisch sitzt, in sorgfältig archivierte, siebzig Jahre alte Briefschaften eintaucht und beginnt, ihre Erinnerungen in einen robusten alten Computer zu tippen.

1942 lernte sie neunzehnjährig Helmut Crott kennen. Während der deutschen Okkupation war der Mann aus Wuppertal in einem in Harstad stationierten Wehrmachtsstab als Schreiber eingesetzt und suchte ihren Vater wegen dessen Deutschkenntnissen als Übersetzer auf. Beziehungen mit der verhassten deutschen Truppe galten in der Bevölkerung als tabu. Lillian riskierte, als Verräterin abgestempelt zu werden, dies umso mehr, als sie selbst zum Arbeitseinsatz im örtlichen deutschen Hauptquartier herangezogen wurde.

Die gefährlichste Herzensangelegenheit der Verliebten war jedoch Lillians Wissen um Helmut Crotts jüdische Wurzeln. Vor der Wehrmacht konnte er auf verwinkelten Wegen verbergen, dass seine Mutter, liebevoll „halbe Portion“ genannt, eine Jüdin war.

Der Film rekonstruiert anhand der bewegenden Briefe von Helmut Crotts Vater, wie dieser dem in Norwegen stationierten Sohn von ihrer Drangsalierung berichtet, und folgt im Wechsel mit der Chronik der Kriegsereignisse in Norwegen auch den Stationen, auf denen die Mutter noch am Kriegsende nach Theresienstadt deportiert wurde.

Klaus Martens zieht alle Register einer anschaulichen Spurensuche nach der verbotenen Liebe von Lillian und Helmut. Im Duktus eines attraktiven Reisefilms führt er an die authentischen, vielfach noch original erhaltenen Schauplätze und lädt Lillians Offenbarungen nach dem von ihrem Mann gewünschten Schweigen mit viel Sinn für optische Valeurs, bewegliche Kamerablicke und nicht zuletzt vor allem das Charisma seiner heldenhaften Zeitzeugin auf.

„Erzähl es niemandem!“ fußt auf dem gleichnamigen, 2012 zum Bestseller avancierten Erinnerungsbuch, das Lillian Crott Berthung zusammen mit ihrer Tochter Randi Crott veröffentlicht hat. Die Tochter, selbst eine erfolgreiche Journalistin, bricht darin voller Zuneigung für den Vater dessen lang gehütetes Geheimnis. Randi Crott erfuhr erst nach seinem Tod von der Mutter, warum die Liebe ihrer Eltern einer doppelten Gefahr ausgesetzt war. Im Film nun erlebt man die Tochter in Voice-over-Zitaten aus dem Buch, folgt in nachgestellten Szenen in Recherchen in Archiven und an Lebensstationen des Vaters in den Anfangsjahren des Naziterrors, die er nach dem Krieg nicht ansprechen wollte, um wieder „dazugehören zu können“.

Lillian, im Film deutlich stärker das Zentrum der Erzählung, berichtet aus erster Hand anschaulich, wie sie den Krieg und Terror im idyllischen Harstad erlebte. Die Wehrmacht führte in Norwegen, wie die einmontierten Propagandafilme erstaunlich explizit dokumentieren, einen brutalen Eroberungskrieg um den nahe gelegenen eisfreien Hafen Narvik und dessen Transportverbindungen zu den schwedischen Erzminen. In Harstad wurde eine monströse Artillerie von zu Tode ausgebeuteten russischen Kriegsgefangenen errichtet, und bei ihrem Rückzug schließlich hinterließ die Wehrmacht in der gesamten Region verbrannte Erde.

„Erzähl es niemandem!“ ist Liebesgeschichte, plastische Geschichtslektion und Selbstporträt einer mutigen Frau. Die gelegentlich durchdringende Prise Eitelkeit in Lillian Crott Berthungs Persönlichkeit fällt nicht ins Gewicht. Claudia Lenssen

„Erzähl es niemandem!“. Regie: Klaus Martens. Deutschland/Norwegen/Dänemark/Tsche­chien 2016, 90 Min.

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