: Neue Spieler, altes Leiden am Millerntor
Knock-out Mit drei neuen Fußballern auf dem Platz hielt der Tabellenletzte FC St. Pauli gegen das Zweitliga-Spitzenteam des VfB Stuttgart lange gut mit. Ein Tor gelang jedoch einmal mehr nur den Gästen
Überlegene, womöglich gar übermächtige Schwaben? Davon war 80 Minuten lang im ausverkauften Millerntorstadion nichts zu sehen gewesen. Und ein Punkt wäre respektabel gegen den VfB Stuttgart, keine Frage. Andererseits war dieser Gegner an diesem Tag, zum Auftakt der Rückrunde, nur das Zerrbild eines designierten Aufsteigers. Drei Zähler schienen möglich.
Also wagten die Spieler des Zweitliga-Schlusslichts FC St. Pauli, in der Schlussphase ein bisschen mehr Risiko einzugehen, um das Tor des Tages zu erzielen – und verloren alles. Inmitten einer Drangphase fing sich das Team von Trainer Ewald Lienen den Knock-out ein. Nach Zuspiel von Simon Terodde stürmte der eingewechselte Carlos Mané auf das Tor der Hamburger, das nicht wie in der Hinrunde von Robin Himmelmann, sondern von Philipp Heerwagen gehütet wurde. Mané schoss vor 29.546 Zuschauern zum 0:1 (84.) ins obere linke Eck.
„Die Jungs haben alles gegeben, was möglich war“, sagte Trainer Ewald Lienen. „Wir waren auf Augenhöhe. Wenn dann dieses Tor erst in der 84. Minute fällt, ist es schwer zurückzukommen.“ Dass der 63-Jährige überhaupt vor dem Anpfiff sein Ritual pflegen und die Fans auf den Tribünen mit Gesten und lauten Rufen zur Unterstützung auffordern durfte, war schon erstaunlich genug. Es gibt nicht viele Klubs im Profifußball, bei der die Vereinsführung mit einem Trainer derart viel Geduld hat. Lienens sportliche Bilanz hätte eigentlich nur eine Folge zugelassen – die Beurlaubung, spätestens zur Winterpause.
Doch St. Pauli wäre nicht St. Pauli, wenn dort die Mechanismen des Mainstreams greifen würden. Diese sind vor allem Vereinsboss Oke Göttlich zuwider. Man könnte fast meinen, der Alt-Linke Lienen passt mit seinen sozialkritischen Ansichten so perfekt zum Klub, dass dafür auch sportliche Krisenzeiten in Kauf genommen werden. Und so durfte er Anfang des Jahres mit dem Team nach Spanien ins Trainingslager reisen.
Mit Rückkehrer Lennart Thy (Werder Bremen), Johannes Flum (Eintracht Frankfurt) und dem norwegischen Leihspieler Mats Möller Daehli (SC Freiburg) kamen drei neue Kräfte, die gegen Stuttgart alle von Beginn an spielten. Während Flum im defensiven Mittelfeld mit seiner Passsicherheit zeigte, dass er eine Verstärkung sein kann, wirkte Möller Daehli als Spielgestalter überfordert und Thy nicht austrainiert.
Die drei Neuen sollen dazu beitragen, dass das große Manko beseitigt wird: In den 17 Spielen der Hinrunde gelangen den Hamburgern nur mickrige elf Treffer – der FC St. Pauli stellt damit die schlechteste Offensive der Zweiten Liga.
Die Lage für die Hamburger ist nach diesem Spieltag nochmals prekärer geworden. Durch die Siege der Konkurrenten FC Erzgebirge Aue und Karlsruher SC beträgt in der Tabelle der Rückstand auf den Relegationsrang schon stattliche fünf Punkte. Und es geht fordernd weiter: Am kommenden Wochenende steht das Spiel beim Spitzenreiter Eintracht Braunschweig an. gör
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