Musik lässt Flügel wachsen

Musikalisch Neun Filme aus zehn Ländern nähern sich der Frage, wie sehr Musik verbinden oder auch Grenzen weiten kann. Beim dritten Musikfilmfestival in Bremen steht dieses Mal das Reisen im Mittelpunkt

Musikhistoriker sind sich einig: Der Blues kommt aus Mali Foto: Konrad Waldmann Press

von Wilfried Hippen

Keine Kunstform wirkt so unmittelbar wie Musik – ist unabhängig von Sprache oder kulturellem Kontext fassbar. Davon, welch erstaunliche Geschichten und Klänge die kulturübergreifende Verbreitung verschiedener Musikformen ermöglichen, handeln die neun Filme des dritten Musikfilmfestivals in Bremen.

Die Barockmusikerinnen Julie Comparini und Alina Rotaru organisieren das Festival, das seit 2013 alle zwei Jahre stattfindet. „Wir definieren Musikfilm sehr breit und zeigen bekannte, neue und zu Unrecht vergessene Filme aller Genres“, schreiben die beiden über ihre Veranstaltung. Vor zwei Jahren war der Schwerpunkt „Rebellen“, in diesem Jahr wählten sie das Motto „Leaving Home“, das hier im Sinne von „flügge werden“ oder eben „auf Reisen gehen“ gemeint ist.

Das Festival startet heute Abend mit der Dokumentation „Sound of Heimat – Deutschland singt“. Die Kamera begleitet den neuseeländischen Musiker Hayden Chisholm auf einer Reise durch Deutschland – auf der Suche nach der Volksmusik. Aus dem Blickwinkel des Neuseeländers begegnen die Zuschauer kölschen, bayerischen und friesischen Musikern ganz unvoreingenommen. Chisholm wird heute auch da sein und nicht nur von seinen Erfahrungen erzählen, sondern auch gemeinsam mit der Jodellehrerin Loni Kuisle im Kino musizieren.

Eher klassisch kommt da die Opernadaption „La Bohéme am Kap – Breathe Umphefulmo“ von Mark Dornford-May daher. Zusammen mit der Sängerin Pauline Malefane hat er Puccinis Oper nach Südafrika verpflanzt. Dort ist, anders als in Europa, die Geschichte einer Frau, die an der Schwindsucht stirbt, auch heute noch denkbar. Donford-May übersetzte in die Sprache Xhosa und arrangierte die Musik neu. Nun werden neben den klassischen auch afrikanische Instrumente gespielt.

Musikhistoriker sind sich einig, dass der Blues aus Mali stammt. In der Dokumentation „Mali Blues“, die in dieser Woche auch im Hamburger Metropolis als eines der Highlights des vergangenen Jahres läuft, wird deutlich, wie umfassend die Musik die Identität des Landes heute noch prägt.

Umso tragischer ist es, dass radikale Fundamentalisten vor einigen Jahren Teile Malis besetzten und unter Androhung schwerster Strafen jede Art von Musik verboten haben. Der Film zeigt, wie einige der bekanntesten MusikerInnen Malis mit dieser Situation umgehen. So ist die Sängerin und Songschreiberin Fatoumata Diawara schon als junge Frau aus ihrem Land geflohen und machte im Exil eine Weltmusik-Karriere. „Mali Blues“ dokumentiert ihre Rückkehr und ihren ersten Bühnenauftritt in Mali. Der Regisseur Lutz Gregor wird am Samstag seinen Film vorstellen und berichten, wie es den Künstlern nach den Dreharbeiten ergangen ist.

Die Entdeckung des Festivals ist eindeutig die Dokumentation „Presenting Princess Shaw“ des israelischen Filmemachers Ido Haar. Und zwar nicht nur, weil er davon erzählt, welche kreativen Möglichkeiten das Medium Youtube bietet, sondern auch, weil er das reale Märchen von der Erweckung einer Prinzessin erzählt.

Seine Heldin Samantha Montgomery ist eine begnadete Sängerin, deren Klangfarbe und Intensität an Amy Winehouse und Nina Simone erinnert. Sie hat einige ihrer Lieder bei Youtube hochgeladen – nur 87 User wollten das sehen . Bis der israelische Künstler Kutiman sie entdeckte und ohne ihr Wissen aufwendige und sehr originelle Mischungen zu ihren Songs produzierte. Als er einen von diesen ins Netz stellte, wurde Samantha, die sich selber Princess Shaw nennt, plötzlich berühmt und reiste schließlich nach Tel Aviv, stand dort vor Hunderten begeisterter Fans zum ersten Mal auf einer Bühne. Filmemacher Haar begleitete sie ein Jahr mit der Kamera, ohne ihr von seinem Freund Kutiman zu erzählen. Er hat sie also genaugenommen belogen und manipuliert. Doch das Happy End ist so perfekt, und Samantha ist eine dankbare und glückliche Heldin, dass man es ihm verzeiht.

Der Stummfilm „Die Leuchte Asiens“ von Franz Osten aus dem Jahr 1925 ist im Grunde gar kein Musikfilm. Aber bei historischen Stummfilmen wie diesem, der an den Originalschauplätzen in Indien die Lebensgeschichte des Buddha Gautama erzählt, ist die Musikbegleitung wichtig. Für die Aufführung in Bremen hat der renommierte Weltmusiker Willy Schwarz gemeinsam mit dem Komponisten Riccardo Castagnola eine neue Filmmusik geschrieben und arrangiert. Schwarz wird sie auf seinen indischen Instrumenten live spielen und Castagnola wird Samples einspielen, die er im Studio produziert hat.

3. Musikfilmfestival Bremen „Leaving Home“: Do-So, Cine City 46, Birkenstraße 1, Bremen. Alle Filme: www.city46.de