Karlsruhe prüft Klagen
gegen Tarifeinheit

JUSTIZ Berufsvereinigungen greifen Gesetz an, das große Gewerkschaften in Betrieben begünstigt

KARLSRUHE taz | Greift das Tarifeinheitsgesetz zu sehr in die Rechte von kleinen Berufsgewerkschaften ein? Darüber verhandelt an diesem Dienstag und Mittwoch das Bundesverfassungsgericht.

Das Tarifeinheitsgesetz ist seit Juli 2015 in Kraft. Es will vermeiden, dass in einem Betrieb zwei unterschiedliche Tarifverträge gelten. Wenn es keine freiwillige Einigung gibt, dann soll künftig nur der Vertrag derjenigen Gewerkschaft wirken, die im Betrieb mehr Mitglieder hat. Die Gesetzesbegründung geht davon aus, dass Arbeitsgerichte Streiks von Minderheitsgewerkschaften künftig als unverhältnismäßig verbieten werden – da deren Tarifverträge eh wirkungslos bleiben.

Dagegen klagten unter anderem die Ärztegewerkschaft Marburger Bund, die Pilotenvereinigung Cockpit und die Unabhängige Flugbegleiter-Organisation (UFO). „Wenn Cockpit keine Tarifverträge mehr schließen kann, weil die Piloten im Betrieb immer die Minderheit sind, dann ist die Existenz der Vereinigung bedroht“, sagte Cockpit-Anwalt Gerhart Baum. Er bezweifelt bereits den Anlass für das Tarifeinheitsgesetz. In Deutschland gäbe es viel weniger Streiks als etwa in Frankreich. Es gäbe auch nur wenige Berufsgewerkschaften.

UFO-Vertreter Matthias Jacobs beklagte, dass der Gesetzgeber den Wettbewerb der Gewerkschaften manipuliere. Er bevorzuge einseitig die DGB-Gewerkschaften, weil diese in der Regel in den Betrieben die Mehrheit der Arbeitnehmer vertreten. Zugleich verschiebe er auch die Gewichte zugunsten der Arbeitgeber. Denn diese könnten in einem Konzern die „Betriebe“ so zuschneiden, dass jeweils die „pflegeleichteste“ Gewerkschaft die Mehrheit hat, so Jacobs.

Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) verteidigte das Gesetz. Das Prinzip der Tarifeinheit solle nur „Anreize zur Kooperation der Gewerkschaften“ schaffen. Das Urteil wird in einigen Monaten verkündet.

CHRISTIAN RATH