Berliner Szenen
: Bund der Vertriebenen

Expansionspläne

Das Kind hat nachts offenbar nachgedacht

Erika Steinbach ist aus der CDU ausgetreten. Wegen Angela Merkels Flüchtlingspolitik. Der „Tagesschau“ ist das die erste Meldung wert. Das Kind sieht aufmerksam zu. „Wer ist das eigentlich?“, fragt es interessiert. Ich erkläre den Bund der Vertriebenen und komme dabei auch auf die ehemaligen deutschen Ostgebiete. Wir sitzen vor Landkarten, nehmen Berlin als Referenzpunkt und das Kind staunt. „So groß war Deutschland mal!“ Als Historikerin erkläre ich dann auch noch schnell die polnische Westverschiebung.

Am nächsten Morgen beim Frühstück geistert Steinbach immer noch durch die Radio­nachrichten. Das Kind hat nachts offenbar nachgedacht und sagt unvermittelt: „Ich finde, Deutschland könnte ruhig ein bisschen größer werden. So zum Beispiel an der Ostsee, Pommern und so.“ Ein super Thema beim Sonntagsfrühstück. Ich wende ein, dass da ja Polen leben und die müssten auch irgendwo hin. „Das Land könnte man nach Osten verschieben. Die kriegen dann was von Russland ab. Das ist sowieso total ungerecht aufgeteilt. Die Russen sind nur halb so viel mehr wie wir in Deutschland, aber haben ein Riesenland.“ Dieses neue Wissen hat er sich gerade in einem Länder-Atlas für Kinder angelesen. Mein Mann wird sauer. „Das muss doch nicht zu Deutschland gehören, wenn du da mal hin willst.“

„Papa! Das wäre total gut. Die Polen nehmen doch nur so wenige Flüchtlinge auf. Deshalb hat Angela Merkel so viele zu uns geholt. Wenn wir mehr Land hätten, könnten wir die viel besser unterbringen. Dann müssten sie nicht mehr in Berliner Turnhallen leben und die Fußballvereine könnten im Winter wieder drinnen trainieren. Das wäre gut für alle.“ Erika Steinbach würde vielleicht mit den Expansionsplänen übereinstimmen, sicher aber nicht mit den praktischen Folgen.

Gaby Coldewey