Schnapp von vier Millionen

Justiz Wegen schweren Anlagebetrugs stehen in Frankfurt Immobilieninvestoren vor Gericht

S & K: früher smart und kühn, heute gesichtslos Foto: dpa/picture alliance

FRANKFURT AM MAIN taz | „Warum haben Sie Angst vor der Antwort“, fragt ein Verteidiger den Zeugen Andreas S. „Weil er es nicht weiß“, kommentiert sein Anwaltskollege. Ein Dritter bilanziert: „Bei dem sind sowieso Hopfen und Malz verloren.“ Die Verteidiger machen Stimmung gegen einen Zeugen in einem absurden Prozess in Frankfurt am Main. Seit 18 Monaten wird vor dem Landgericht gegen fünf Männer wegen des Vorwurfs des bandenmäßigen Anlagebetrugs mit Immobiliengeschäften verhandelt.

Der Zeuge, der Kriminalbeamte S., hat im Zuge der Ermittlung gegen das Immobilienfirmengeflecht S & K den E-Mail-Verkehr der fünf Hauptakteure ausgewertet. Mit einem Schneeballsystem sollen die Unternehmen der S-&-K-Gruppe bei Anlegern rund 240 Millionen Euro eingesammelt haben. Die zugesicherten Renditen seien von Anfang an unrealistisch gewesen, stattdessen hätten sich „die Täter“ Geld für ihren extrem aufwendigen Lebensstil erschwindelt, so die Anklage.

S & K, das stand in guten Zeiten für Stephan Schäfer und Jonas Köller, zwei junge, smarte Männer aus der Provinz. Sie galten als steinreiche Immobilienmanager, die ihren Erfolg mit protzigen Autos, exklusiven Partys und einem repräsentativen Firmensitz in nobler Lage zur Schau stellten. Als Twens hatten sie gemeinsam ihren ersten Coup gestartet und ohne eigenes Geld bei einer Zwangsversteigerung zugegriffen. Die damals ergatterte Immobilie konnten sie wenig später mit sattem Gewinn verkaufen. Mit dieser „Geschäftsidee“ erwirtschaftete das Immobilienimperium mehrere Hundert Millionen Euro

Dem setzten 1.200 Polizeibeamte und 15 Staatsanwälte im Februar 2013 bei einer Durchsuchung zahlreicher Firmensitze von S & K ein Ende. Die Anklage spricht von bis zu 11.000 geschädigten AnlegerInnen. Vier der Angeklagten sind in Haft. Das Oberlandesgericht Köln beschlagnahmte die Vermögenswerte, die Anklageschrift umfasst 1.300 Seiten.

Den Zeugen Andreas S. nimmt sich an einem Prozess­tag Mitte Januar der Angeklagte Marc S. vor. „Sie sind doch Laie“, hält er dem Kripobeamten vor. Ohne Sachverstand habe dieser Entlastendes nicht zu Kenntnis genommen. Doch der Zeuge bleibt dabei: Bei dem Verkauf von S-&-K-eigenen Immobilien an die von S-&-K-Fonds sei es dar­um gegangen, mit überhöhten Preisen Gelder abzuziehen.

In den Mails und bei den abgehörten Telefongesprächen geht es denn auch zur Sache: Da haben sich die Kumpel, die im Stil einer Jugendgang kommunizieren, über „einen Schnapp von vier Millionen“ gefreut. Wenn MitarbeiterInnen oder Fachleute nach Bonitätsnachweisen fragten, war das abgebügelt worden als „bürokratischer Kleinscheiß“. Die Verteidigung der Angeklagten versucht immer wieder, den Zeugen mit Expertenfragen aufs Glatteis zu führen. In solchen Momenten greift die Staatsanwaltschaft ein. Die stundenlange Stimmungsmache gegen ihn muss er allerdings ertragen.

Seit fast 100 Verhandlungstagen geht es in dem Prozess nun so zu. Befangenheitsanträge, Rügen der RichterInnenauswahl, Anträge zur Haftverschonung. Verworrenheit. Am Ende des 97. Verhandlungstages wartet die Staatsanwaltschaft dann mit einer Überraschung auf: Um das Verfahren zu beschleunigen, sollte sich das Gericht auf gut zu belegende Anklagepunkte beschränken. Im Gegenzug könnte dafür die Staatsanwaltschaft einen festen Strafrahmen zusichern. Das sind völlig neue Töne in diesem scheinbar unendlichen Verfahren.

Christoph Schmidt-Lunau