Am Ende gewinnen immer die Deutschen
: Der große Ausverkauf

Zu Hause bei Fremden

von Miguel Szymanski

Deutschland arbeitet mit seiner Politik hart daran, Europa auseinanderbrechen zu lassen, und die Iberische Halbinsel driftet wie das steinerne Floß in José Sara­ma­gos gleichnamigem Roman vom europäischen Festland ab. Die Krise zerrte zu lange an den Ankertauen, das Leben einer ganzen Generation hat deshalb Schlagseite bekommen, bevor ihre Reise erst richtig losgehen konnte.

Portugal und Spanien stehen vor der Katastrophe einer verlorenen Generation und rutschen immer tiefer in eine aus dem Ausland zunehmend unsichtbare Krise. Eine Krise, die im Falle Portugals kaschiert wird, weil die Medien auf der einen Seite die Realität zu einem Erfolgsnarrativ verzerren, auf der anderen Seite die portugiesische Hauptstadt tatsächlich touristisch boomt und privilegierte Menschen aus der ganzen Welt anzieht. Portugiesen müssen ihre Wohnungen räumen und das Land verlassen, Deutsche eröffnen in Lissabon Gourmetrestaurants, Österreicher Cafés, Franzosen, die früher die Exotik in Marrakesch schätzten, kaufen sich heute in der Mouraria, dem alten Maurenviertel Lissabons, oder in Alfama luxu­riö­se Appartements mit Blick auf die strahlend blaue Wasserfläche des Tejo-Flusses. Es ist der große Ausverkauf.

Krisenzeiten sind Schnäppchenzeiten. Reiche Brasilianer, Chinesen und Angolaner kaufen goldene Visa, Holländer, Schweden und Schweizer kaufen Immobilien um die Wette. Das Geld überweisen die portugiesischen Immobilienverkäufer ins Ausland, nach Deutschland oder in die Schweiz, denn an der Zukunft des Euro und des Euroraums zweifeln immer mehr. Außerhalb der Hauptstadt und touristischen Hochburgen stirbt das Land, öd, verlassen, veraltet, immer weniger Schulen und kaum noch ärztliche Versorgung.

Auch wer an dem schmalen Küstenstreifen der Algarve auf einem der Dutzenden Golfplätze spielt und abends Cocktails trinkt, sieht die Krise nicht. Junge Ärzte verlassen das Land, wer keine Privatversicherung hat, muss oft Monate auf Termine und Jahre auf Operationen warten. Seit Beginn der Krise hat das Land vormals staatliche Unternehmen im Wert von 25 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verloren. Mediziner, Krankenpersonal, Schweißer, Informatiker: Wer in Deutschland eine Stelle finden kann, verlässt das treibende Schiff, weil die Regierung in Lissabon, außer dem Rat auszuwandern, der Jugend seit Jahren nichts zu bieten hat.

Mit dem „Rettungsschirm“ nach Ausbruch der Banken- und Staatsschuldenkrise wurde der extreme Sparkurs aus Berlin diktiert, der in der Krise die Armut und das Elend in einer Spirale verschärfen. Nur in Anführungsstrichen kamen auch die „Hilfsmilliarden“. Sie wurden an einer verarmten Bevölkerung vorbei in kriminell agierende Banken gepumpt mit dem Ziel, die Bilanzen der deutschen Banken sauber zu halten.

Austerität bedeutet etymologisch Bitterkeit. Nur Berlin sieht rosafarbene, lächelnde, pralle Sparschweine. Das deutsche Ordnungsdenken will die Realität des Südens nach deutschen Bedeutungen, nach Luther, Grimm und Schäuble, geradebiegen. Aber Verben werden nicht überall gleich gebeugt. Was für die einen Ordnung ist, empfinden andere als Pervertierung des Lebens. Problemlösungen lassen sich nicht zum Paket verschnürt per Post verschicken oder mit vorgehaltener Pistole übertragen. Rettung ist nicht in Sicht, stattdessen reißen die Taue. Wenn die Regierung in Berlin dem Süden Hilfe verweigert und das Land der Rentabilität wegen ausbluten lässt, muss die Gesellschaft Verantwortung übernehmen.