Berliner Szenen
: Regionalbahn

Steh auf Aida

Der Besagte scheint diese Art von Luxus gar nicht zu schätzen

Nach dem Silvesterurlaub an der Ostsee fahren wir im vollen Regionalexpress zurück nach Berlin. Wir haben Sitzplätze und lesen, es ist relativ ruhig. In Eberswalde steigen zwei Mädchen zu. Sie sind Anfang zwanzig und reden sehr laut. Bei dem Satz „Also, ick steh ja total auf Aida“ lasse ich mein Buch sinken. Die junge Opernfreundin will ich ein bisschen näher betrachten.

„Ick war mit seiner Mutter im Reisebüro, da hab ick mir gleich so nen Aida-Block geholt.“ Ach so, sie spricht von den Kreuzfahrtschiffen. Dabei sieht sie gar nicht so aus, als ob sie sich solche Reisen leisten könne. Aber was weiß man schon. „Ick kiek das so durch, da seh ick: Weltreise. 110 Tage, 14.500 Euro. Also, da kannste nich meckern. Ick meen, du brauchst schon zehntausend, wenn de länger nach Amerika willst.“

Das scheint mir ja etwas hoch gegriffen. „Ick so zu ihm, nimm dir schon mal Urlaub, wa. Ick hab dit gleich gebucht.“ Die ist ja schnell entschlossen, denke ich. Doch da geht es schon weiter. „Nee, Scherz. Ick sach, du kannst mir ooch einfach ne Kreuzfahrt schenken zum Geburtstag.“ Aha, da geht sie noch ein bisschen runter mit ihren Wünschen. „Na ja, ick steh ja ooch total uff Wellness. So’n Wellness-Wochenende könnte er mir ooch schenken.“

Der Besagte scheint aber diese Art von Luxus gar nicht zu schätzen. Wie wir erfahren, trägt er nur Jogginghose und Pulli. Sie hat ihm zu Weihnachten deshalb Jeans und Oberhemd geschenkt, was er erstaunlicherweise auch gleich angezogen hat. So läuft es bei ihnen. Vielleicht auch mit ihrem Geburtstagsgeschenk. Wenn sie ihm noch weiteren Spielraum nach unten lässt. „Ick würd mich ooch über nen Massagegutschein freuen.“ Der Zug läuft in den Bahnhof Gesundbrunnen ein. Beim Aussteigen höre ich noch: „Und wenn er mir keen schenkt, dann hol ick mir den eben selber.“ Gaby Coldewey