Kommentar von Marco Carini über den „Naturcent“: Greenwashing für den Wohnungsbau
Mit den Grundsteuer-Einnahmen von Neubauwohnungen In Landschaftsschutzgebieten sollen Parks instand gehalten werden.
M ehr Wohnungsbau bedeutet mehr Pflege von Parks und die Aufwertung von Naturschutzgebieten. Mit dieser scheinbar absurden Botschaft trat Umweltsenator Jens Kerstan am Dienstag an die Öffentlichkeit. Der Plan: Zusätzliche Grundsteuereinnahmen, die durch die Bebauung von Grünflächen generiert werden, sollen der Verbesserung der verbleibenden Grünflächen zugute kommen. „Naturcent“ nennt sich das Konzept, das sich bei genauerer Betrachtung als Mogelpackung entpuppt.
Der grüne Umweltsenator ist in einer unkomfortabelen Lage: In seiner Amtszeit werden voraussichtlich mehr Naturflächen dem Wohnungsbau zum Opfer fallen als je zuvor. Immer mehr Grün wird verschwinden, immer mehr Fläche versiegelt. Und je länger die ehrgeizige Vorgabe gilt, pro Jahr 10.000 neue Wohnungen zu errichten, umso stärker müssen Naturräume und Landschaftsschutzgebiete angeknabbert werden. Daran wird auch kein „Naturcent“ etwas ändern. Der ist nicht mehr als ein Greenwashing des forcierten Wohnungsbaus auf bisherigen Grünflächen.
Was als zusätzliche Finanzspritze für Hamburgs Grün daherkommt, ist in Wirklichkeit kein zusätzliches Geld. Seit Jahren klagen Hamburgs sieben Bezirksämter darüber, dass ihre Finanzausstattung so zusammengesparrt wird, dass sie wichtige Aufgaben nicht mehr erfüllen konnten. Dazu gehört auch die Pflege der städtischen Naturräume – immer mehr Parks verwilderten und verdreckten.
Dass nun die zusätzlichen Steuereinnahmen diese Entwicklung ansatzweise korrigieren sollen, ist richtig. Doch beheben sie lediglich die Versäumnisse der Vergangenheit.
So ist der „Naturcent“ vor allem eine PR-Maßnahme von und für Umweltsenator Jens Kerstan. Die Kernfrage bleibt dahinter verborgen: Wie viel Wachstum und Wohnungsbau verträgt Hamburg noch und welchen Preis sind die Stadt und ihre Bürger bereit, dafür zu zahlen? Der „Naturcent“ ist nur das Herumdoktern an Symptomen. Die Frage nach einer ökologischen Stadtentwicklung beantwortet er jedoch nicht einmal im Ansatz.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen