: Selektiver Kälteschutz
WInter-Notprogramm
Hamburg rühmt sich gern, deutschlandweit das größte Winternotprogramm mit einem Budget von 2,5 Millionen Euro zu unterhalten. 940 Plätze stehen dieses Jahr bereit. „Es richtet sich ausschließlich an obdachlose Menschen ohne Selbsthilfemöglichkeit zum Schutz von Leib und Leben bei frostigen Temperaturen in Hamburg, die anonym und kostenlos eine Übernachtung suchen“, heißt es. Diese Woche meldete die Sozialbehörde 150 freie Plätze. Klingt entspannt – der Schein trügt.
Bei der Vergabe von Plätzen wird selektiert. So hat die Sozialbehörde eigenen Angaben zufolge mit mehr als 650 Schutzsuchende „freiwillige“ Gespräche geführt und gefragt, ob sie nicht das Land verlassen könnten. Im vergangenen Winter seien die Obdachsuchenden in den staatlichen Standorten zu 61 Prozent aus ost- und südosteuropäischen Staaten gekommen, darunter 55 Prozent aus Polen, Rumänien und Bulgarien, begründet die Behörde ihr Vorgehen. Rund 30 Prozent kamen aus afrikanischen Ländern, etwa neun Prozent aus Deutschland. 411 Personen hätten angegeben, in ihrer Heimat über Obdach zu verfügen. 170 hatten Arbeit. 13 Arbeitnehmer seien daraufhin in ein Hostel umgezogen. 74 Personen waren im Asylverfahren und wurden an die Erstaufnahme verwiesen. Der Sozialarbeiter bei der Diakonie in Hamburg, Johann Grashoff, zweifelt an der Freiwilligkeit dieser Gespräche: „Das Perspektivgespräch ist eher eine Befragung – und zwar unter großem Druck.“ Dies treffe vor allem die Gruppe der Rumänen und Bulgaren.
„Wenn jemand in Rumänien eine Wohnung hat, kann er nach erfolgter Perspektivberatung im Winternotprogramm finanzielle Hilfen für die Rückreise beantragen“, erklärte Sozialbehörden-Sprecher Marcel Schweitzer. Wer nicht zurückreist, dürfe über Nacht in der Aufenthaltsstätte bleiben – auf Stühlen, nicht in Betten. In vielen deutschen Städten stellten solche Wärmestuben den einzigen Erfrierungsschutz dar.
Erst bei mehr als zehn Grand minus ist die Stadt verpflichtet, Obdachlosen einen Erfrierungsschutz zu gewähren – egal ob Bulgare, Deutscher, Spanier oder US-Amerikaner. kva
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