„Mit Pferden lässt sich Geld verdienen“

Acker Bauernchef Axel Gericke: Landwirtschaft und Naturschutz nicht gegeneinander ausspielen

Axel Gericke

58, bewirtschaftet seit 1983 einen 40 Hektar großen Hof in Lübars, auf dem 30 Pensionspferde stehen, sowie 100 Hektar Ackerfläche bei Nauen. Er ist Vorsitzender der Interessengemeinschaft Bauern in Berlin e. V.

taz: Herr Gericke, gibt es im Berliner Stadtgebiet überhaupt noch richtige Bauern, die von der Landwirtschaft leben?

Axel Gericke: Wir haben noch etwa 50 Betriebe – alle sitzen am Stadtrand. Im Norden in Lübars und Reinickendorf, im Südwesten in Gatow und Kladow, ganz im Süden der Stadt in Rudow und Buckow. In den östlichen Bezirken haben wir überhaupt keine Höfe mehr. Die Flächen werden dort von brandenburgischen Betrieben bewirtschaftet, zumeist große Genossenschaften.

Eine Folge der Zwangskollektivierung in der DDR, die LPG-Genossenschaften?

Genau. Auch die Berliner Stadtgüter haben noch landwirtschaftliche Flächen rund um die Stadt, etwa 20.000 Hektar, auf denen zum Beispiel Roggen angebaut wird. Im Süden der Stadt gibt es auch eine große Milchviehanlage. Das sind riesige Flächen, jeweils mehrere tausend Hektar groß, auf denen übrigens leider kein einziger einheimischer Bauer wirtschaftet.

Warum nicht?

Unseren Bauern fehlt das Kapital für die Bewirtschaftung so großer Flächen.

Wie groß ist ein durchschnittlicher Berliner Bauernhof?

Im Schnitt 33 Hektar – also sehr klein. Von der Bewirtschaftung der Flächen allein kann auch keiner überleben.

Wie kann man denn überleben als Landwirt in der Großstadt ohne viel Ackerfläche?

Man braucht ein zweites Standbein. Die Pferdehaltung zum Beispiel – damit lässt sich Geld verdienen. Die Bauern haben hier schon in den 60er Jahren damit angefangen, Weide- und Stallfläche an Pferdebesitzer zu vermieten. Eine andere Strategie ist, dass man die Höfe stärker für Besucher öffnet.

… das romantische Bild vom Bauernhof, das insbesondere ein städtisches Publikum sucht?

Zumindest gibt es da seit einigen Jahren eine Rückbesinnung auf Regionalität, von der wir profitieren. Da gibt es zum Beispiel die drei Berliner ­Bauern, die noch Milchkühe halten. Die können von den 33 Cent pro Liter, die ihnen die Molkereien zahlen, nicht leben. Also setzen sie auf den Hofverkauf: da kostet die Milch dann einen Euro den Liter, und davon kann man dann leben. Und wenn dann da noch ein kleiner Esel steht für die Kinder zum Streicheln …

Landwirtschaft in der Stadt ist also mühsam. Warum verzichtet man nicht einfach auf sie?

Dann verzichten Sie aber auch auf wichtige Luftschneisen für die Großstadt, auf Naherholungsgebiete.

Man könnte die Flächen auch unter Naturschutz stellen.

Dann kann man aber auch nicht sagen, wie es der neue Senat tut, dass man gerne die Versorgung der Stadt mit regionalen Lebensmitteln fördern will.

Schließen sich Landwirtschaft und Naturschutz denn aus?

Natürlich nicht. Aber da fühlen wir uns von der Politik viel zu wenig gehört und verstanden. Viele Naturschutzauflagen machen uns das Wirtschaften nicht gerade leichter. Dabei ist für uns Bauern der Boden unser wichtigstes Kapital, den richte ich doch nicht mutwillig zugrunde.

INTERVIEW Anna Klöpper