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Hürden für eine Kündigung

EIGENBEDARF Eigentümer dürfen Mietern kündigen, wenn sie selbst oder nahe Verwandte die Wohnung nutzen wollen. Doch nicht immer ist ihr Vorgehen rechtlich zulässig

Nicht jedes Gebäude eignet sich für den Eigenbedarf. Gleichwohl ist er inzwischen der häufigste Grund für Kündigungen Foto: Helmut Kolbach

Von Hannes Koch

Wohnungseigentümer dürfen vieles – aber nicht alles: Dem Mieter die Wohnung mit dem Argument zu kündigen, seine Großcousine möchte einziehen, ist in der Regel etwa nicht zulässig. Denn die zählt meist nicht als enge Verwandte. Die Kündigung dürfte in diesem Fall eher unwirksam sein. Trotzdem ist der sogenannte Eigenbedarf der häufigste Grund bei Kündigungen von Mietverträgen. Was ist in solchen Fällen zu beachten?

Angesichts des Drucks auf dem Berliner Wohnungsmarkt haben es Mieter heute generell oft nicht leicht. Viele wohnen schon in Eigentumswohnungen, die jemand anderem gehören. Und häufig kommt es zu Umwandlungen von Mietwohnungen. Wenn die neuen Eigentümer aus Wuppertal, Barcelona oder Kopenhagen die Mieter dann loswerden wollen, nutzen sie oft das Argument des Eigenbedarfs. Der ist in ziemlich genau definierten Fällen berechtigt. Grundsätzlich bestehen jedoch gewisse Hürden, weswegen manche Kündigungen rechtlich unhaltbar sind.

Auch für die Vermieter ist es nützlich, diese Bestimmungen zu kennen, wenn sie sich nicht in unnötige, kostenträchtige Prozesse stürzen wollen. Mitunter mag es Interessen geben, die aus Sicht des Immobilieneigners nachvollziehbar erscheinen – beispielsweise der Wunsch, eine höhere Miete zu erzielen, als sie mit dem aktuellen Mietvertrag möglich ist, oder die Absicht, eine leerstehende Wohnung zu einem deutlich höheren Preis zu verkaufen als eine vermietete. Solche Motive hinter dem vorgeschobenen Grund des Eigenbedarfs zu verstecken kann jedoch zu Problemen führen.

Denn wer Eigenbedarf anmeldet, muss dies vernünftig und nachvollziehbar begründen. Es ist zwingend, dass im Kündigungsschreiben an die Mieter eine identifizierbare Person genannt wird, die in die Wohnung einziehen soll. Im Hinblick auf diese Person müssen außerdem plausible Gründe für die Wohnungswahl genannt werden.

Wer Eigenbedarf anmeldet, muss dies vernünftig und nachvollziehbar begründen und plausible Gründe nennen

„Eigenbedarf“ bedeutet, dass der Eigentümer den Anspruch einzuziehen für sich selbst, nahe Familienangehörige und Mitglieder seines Haushalts erheben kann. In zahlreichen Urteilen haben RichterInnen festgelegt, welche Familienmitglieder infrage kommen. Eher geringe Chancen juristischer Gegenwehr haben Mieter, wenn der Eigentümer Verwandte ersten Grades benennt – Eltern, Geschwister und Kinder. „Aber auch Enkel, Schwiegereltern und Stiefkinder können in Betracht kommen“, sagt Wibke Werner, Vizegeschäftsführerin des Berliner Mietervereins.

Haus & Grund, die Vereinigung der Immobilieneigentümer, weist indes darauf hin, dass selbst „Verwandte in der Seitenlinie bis zum dritten Grad“, beispielsweise Nichten und Neffen, Rechte anmelden können. Bei weiterer verwandtschaftlicher Entfernung wird es dagegen schwieriger: Soll der Eigenbedarf für eine Großcousine berechtigt sein, so ist eine sehr gute Begründung nötig. Als Haushaltsmitglied kommt beispielsweise eine Altenpflegerin in Betracht, die den im gleichen Haus lebenden dementen Vater des Wohneigentümer rund um die Uhr betreut.

Ein zweiter entscheidender Punkt, den Mieter besonders unter die Lupe nehmen sollten, ist der Grund des Eigenbedarfs. Plausibel sind etwa solche Konstellationen: Die Eigentümerfamilie wohnt in einer Dreizimmerwohnung, hat schon ein Kind, erwartet Zwillinge und erhebt deshalb Anspruch auf die ihr gehörende, aber vermietete Fünfzimmerwohnung. Oder: Eltern wünschen, dass ihre nun volljährige Tochter, die am Wohnort studieren will, in eine vermietete Zweizimmerwohnung im selben Haus einzieht.

Der Deutsche Mieterbund bietet auf seiner Webseite Mietrechts-Infos, auch zu Kündigungen sowie zu den örtlichen Mietervereinen, die Beratung leisten. www.mieterbund.de

In Berlin hilft der Berliner Mieterverein. Um dort Rechtsberatung zu erhalten, muss man Mitglied werden. Auf der Webseite kann man sich über die Infoblätter 24 und 26 zum Eigenbedarf informieren. www.berliner-mieterverein.de.

Auch die Berliner Mietergemeinschaft gibt u.a. online Tipps, was Mieter bei Eigenbedarfskündigungen machen können. www.bmgev.de

Kostenlose Unterstützung bietet in Berlin ebenfalls die Asum Mieterberatung GmbH. www.asum-berlin.de

Eigentümer erhalten derweil Hilfe bei Haus & Grund, der Vereinigung der Immobilienbesitzer. www.hausundgrund.de

Nachvollziehbar kann ebenfalls sein, wenn ein zu Hause arbeitender Eigentümer eine Einzimmerwohnung als Arbeitszimmer beansprucht. Was dagegen eher schwierig durchzusetzen sein dürfte, ist dieses Motiv: Die Eltern wollen ihrem 17-jährigen Sohnemann, der eine Malerlehre beginnt, eine Fünfzimmerwohnung frei machen. Da wird das Gericht wohl urteilen, dass ein Azubi keine 120 Quadratmeter braucht – im Gegensatz zu der vierköpfigen Familie, die in der Wohnung lebt.

Indizien, den Eigenbedarf infrage zu stellen, können zum Beispiel auch diese sein: „Gingen der Kündigung Streitigkeiten über Heiz- und Nebenkostenabrechnungen oder eine Mieterhöhung voraus, so geht es dem Vermieter in Wirklichkeit vielleicht darum, einen aufmüpfigen Mieter loszuwerden“, sagt Ulrich Ropertz, Sprecher des Deutschen Mieterbundes.

Voraussetzung einer Eigenbedarfskündigung ist es immer notwendig, dass die jeweilige Wohnung in abgeschlossenes Eigentum umgewandelt und im Grundbuch eingetragen wurde. Gegen die Umwandlung können sich die Mieter nicht wehren. Läuft ihr Mietvertrag allerdings zum Zeitpunkt der erstmaligen Eintragung als Eigentum bereits, so genießen sie in Berlin eine zehnjährige Kündigungssperrfrist. Während dieser Zeit müssen sie die Wohnung auch bei Eigenbedarf des ersten oder eines neuen Eigentümers nicht verlassen.