Des Königs neue Schulbücher

Marokko 390 Unterrichtswerke werden auf Anordnung von Mohammed VI. überarbeitet – auf zu religiöse Darstellungen, Sexismus und Geschlechterrollen

MADRID taz | Marokkos Schüler bekommen neue Bücher. Auf Befehl von König Mohammed VI. wurden die Schulbücher im nordafrikanischen Königreich durchgesehen, um sie an die aktuelle Gesellschaft anzupassen. Sie sollen künftig toleranter sein und die Gleichstellung der Geschlechter fördern.

390 Bücher von der Grundschule bis zum Abitur wurden von einer Kommission aus Professoren, Forschern, Lehrern und Schulinspektoren unter dem Vorsitz des Direktors für Curriculum am Bildungsministerium, Fouad Chafiki, durchgesehen. Es geht dabei vor allem darum, sexistische Inhalte zu eliminieren und die Bücher an die 2011 reformierte Verfassung und das neue Familienrecht anzupassen.

So wurden Texte entfernt, in denen minderjährige Mädchen verheiratet werden, denn dies ist mittlerweile in Marokko nicht mehr zulässig. Außerdem wird darauf geachtet, dass es keine Unterschiede von Rechten und Pflichten von Jungen und Mädchen mehr gibt. Bilder, auf denen die Tochter mit der Mutter in der Küche steht, während der Sohn mit dem Vater Fernsehen schaut, gehören der Vergangenheit an. Künftig werden auch Mädchen ohne Kopftuch dargestellt, um die Vielfalt der marokkanischen Gesellschaft abzubilden. „Manche Inhalte verleiten gar zur Gewalt“, erklärt Chafiki. Er verweist auf einen Text, in dem eine eifersüchtige junge Frau ihrer Cousine Benzin ins Gesicht schüttet.

Die Bücher werden jedoch nicht alle neu gedruckt. Solange noch alte Exemplare im Umlauf sind, werden die neuen Texte im Internet veröffentlicht. Die Lehrer sollen sie dort herunterladen.

Besonders aufwendig wird die noch nicht abgeschlossene Durchsicht der Bücher für den Religionsunterricht. Mohammed VI. verlangte deren Überarbeitung bei einer Ansprache im Februar dieses Jahres. Er fordert vom Religionsministerium künftig „eine Unterrichtung der Werte des toleranten Islam, der die Ausgewogenheit, Moderation sowie Toleranz und das Zusammenleben verschiedener Kulturen und Zivilisationen predigt“. Viele der Bücher für den Religionsunterricht sind streng konservativ. Der Vater von Mohammed VI., der 1999 verstorbene Hassan II., ließ diese Bücher in den 1980er Jahren einführen. Er wollte mit einer konservativen Islamlehre den Einfluss der an Schulen und Universitäten starken Linken zurückdrängen.

Mittlerweile ist dies ein Problem. Denn die Bücher verbreiten eine Auslegung der Religion, die der der radikalen Islamisten recht nahesteht. In Zeiten des Terrors bereitet dies Mohammed VI. Sorge. So werden 10- bis 12-jährigen Kindern die Suren aus dem Koran beigebracht, die zur Tötung Andersgläubiger aufrufen. Während sich in Marokko Konservative und Säkulare über Sinn und Zweck der Reform streiten, bekam Mohammed VI. Unterstützung vom panarabischen Sender Al-Arabija. Die Reformen könnten „weltweite Auswirkungen“ haben, hieß es in einem Kommentar. „Wenn die Marokkaner fähig sind, einen neuen Lehrplan zu schreiben, der die großen humanitären Lehren des Islam vermittelt, sollte dies als Vorbild für andere islamische Länder dienen, die auch das Problem haben, wie und welcher Islam den muslimischen Schülern beigebracht werden soll.“ Reiner Wandler