Kommentar von Kai von Appen über die Verurteilung der Hausbesetzer aus der Breite Straße
: Beispiellose Kriminalisierung

Es war von Anfang an klar, dass der Vorwurf des versuchte Totschlags völlig an den Haaren herbeigezogen war

Der Prozess ist zu Ende, die Schlagzeilen von damals scheinbar vergessen – zumindest interessiert es die Öffentlichkeit nicht mehr, was von den falschen Anschuldigungen der Strafverfolgungsbehörden übrig geblieben ist.

Sicher, es war keine gewöhnliche Hausbesetzung, als eine Gruppe von 30 Personen am 26. August 2014 die leer stehenden Gründerhäuser in der Altonaer Breite Straße 114/116 besetzten. Obwohl es nur eine symbolische Aktion sein sollte, ging es mit außergewöhnlicher Militanz zur Sache, als ob es ein traditionelles Wohnprojekt vor staatlicher Räumung zu verteidigen galt.

Die Militanz war aber nicht zuletzt auch eine Reaktion auf staatlichen Konfrontationspolitik. Wollten Politik und Polizei doch zu Beginn der internationalen „Squatting Days“ den AkteurInnen beweisen, dass es in der Elbmetropole bei politischem Hausfriedensbruch gegen das Spekulantentum „Null Toleranz“ gibt. Deshalb wurde nicht auf Verhandlungen, sondern auf die brachiale Stürmung in der Nacht gesetzt.

Doch die klappte nicht so wie gewollt, denn die BesetzerInnen waren schon weg. Dennoch setzte eine enorme mediale Kriminalisierung ein. Gegen die zufällig Festgenommen wurden Haftbefehle erlassen, die Staatsanwalt erhob den Vorwurf des gemeinschaftlich versuchten Totschlags.

Dabei war von Anfang an klar, dass der Vorwurf des versuchten Totschlags völlig an den Haaren herbeigezogen war. Denn die eingesetzten Polizisten, die maßgeblich für die Stürmung des Hauses zuständig waren, hatten immer zu Protokoll gegeben, dass von den schweren Gegenständen, die aus dem Haus geworfen worden waren, für sie keine Gefährdung ausgegangen sei. Dennoch fand das Verfahren eineinhalb Jahre lang im Hochsicherheitstrakt statt und es dauerte bis Ende April dieses Jahres, bis das Gericht den Tötungsvorwurf fallen ließ. Aber auch das geschah nur aus politischem Kalkül, denn so konnte es die Angeklagten wegen eines gemeinschaftlichen Tatgeschehens aburteilen, ohne Ihnen jeweils eine konkrete Tat zuordnen zu müssen.

Es bleibt festzuhalten: Vom damals aufgebauschten Vorwurf einer Tötungsabsicht ist nichts übrig geblieben. Aber das war wohl auch zum Zwecke der Kriminalisierung und Einschüchterung so einkalkuliert.