Bitte lesen Sie mich nur, wenn Sie es nicht vermeiden können!
: Zehnkampf gegen den Konsumterror

Wir retten die Welt

von Bernhard Pötter

Der französische Sportartikel-Discounter „Decathlon“ hat viel für unsere kleine Familie getan: Immer gab es da günstige Fußbälle, Schwimmbrillen oder Tretroller. Herrschten Schnupfen, Nieselregen, schlechte Laune? Nix wie ab zu Decathlon. Die unendlichen Regale waren wie Ikea, nur ohne die blöden Möbel.

Also war ich begeistert, als der Laden mit dem blau-weißen Schriftzug auch in Berlin aufmachte. Ich ging Schienbeinschoner kaufen und bekam an der Kasse eine braune Tragetasche aus Papier. Und darauf stand: „BITTE KAUFEN SIE MICH NUR, WENN SIE ES NICHT VERMEIDEN KÖNNEN“.

Decathlon – zu Deutsch: Zehnkampf – hat damit die zehn Gebote des nachhaltigen Konsums auf eine zentrale Aussage zusammengestaucht. Auch wenn die Verpackung nur von sich selbst spricht: Sie zwingt uns nachzudenken, was sonst so in die Tüte kommt. Brauchen wir wirklich drei Kopflampen und diese Taucherflossen, auch wenn sie so günstig sind? Oder sollte ich den Krempel nicht lieber im Regal lassen? Für so viel subversiven Antikapitalismus sollte es sofort den Lenin-Orden erster Klasse geben.

Und jetzt sind Sie dran, liebe LeserInnen. Kopieren Sie diesen Satz auf Handtuchgröße und kleben Sie ihn heute in möglichst vielen Shops an die Regale: „Bitte kaufen Sie mich nur, wenn Sie es nicht vermeiden können!“ Denn Freitag ist weltweit „Buy Nothing Day“. Auf der ganzen Welt protestieren Menschen kreativ gegen unseren irren Überkonsum: Sie zerschneiden Kreditkarten, eröffnen Läden, in denen nichts verkauft wird, und schieben leere Einkaufswagen durch die Supermärkte. Der Tag nach Thanksgiving ist in den USA „Black Friday“, wo Millionen von Kunden die Kaufrauschsaison vor Weihnachten eröffnen. Seit 1992 halten die „Adbusters“ aus Vancouver dagegen: mit der Aufforderung, aus dem Teufelskreis von Konsum, Kredit und Katastrophen auszusteigen. Zumindest für 24 Stunden.

Und jetzt ist unser guter alter Decathlon Teil dieser Guerilla. All das Geld, das wir im letzten Jahrzehnt dort investiert haben, war gut angelegt. Und ich begreife die Botschaft: Die Königsdisziplin der Leichtathletik symbolisiert den Kampf gegen den Konsumterror. Da sind die 100-, 400-, 1.500-Meter-Läufe, um all den Sonderangeboten und Flatrates zu entgehen; da braucht es konzentrierte 110 Meter über alle Hürden, die sich uns verantwortungsvollen Konsumenten in den Weg schieben. Denn es ist ja echt der Hammer, was wir alles möglichst weit wegwerfen müssen: den Diskus und den Speer, die nun echt keiner mehr braucht. Dafür müssen wir richtig weit und hoch springen. Sonst können wir uns gleich die Kugel geben.