Kriegsopferrente für NS-Täter: Sie kassieren weiter
Seit 18 Jahren ist es möglich, Nazi-Tätern die Bezüge zu entziehen. Doch das geschieht kaum. Seit 2008 ist kein neuer Fall hinzugekommen.
Efraim Zuroff vom Jerusalemer Simon Wiesenthal Center nannte das Ergebnis gegenüber der taz „ausgesprochen deprimierend“. Christoph Heubner, Vizepräsident des Internationalen Auschwitz-Komitees, bezeichnete den Vorgang als ein „abscheuliches und jammervolles Kapitel des Versagens“. Statt mit Strafen seien die mutmaßlichen Nazi-Täter „gut mit Rentengeld versorgt worden“, sagte Heubner der taz.
Eine Sprecherin des Arbeitsministeriums nannte die absolute Zahl der tatsächlichen Entziehungen „gering“. Gleichwohl sei eine Änderung des Gesetzes „nicht geplant“, sagte sie.
Der Bundestagsabgeordnete Volker Beck (Grüne) will sich damit nicht zufrieden geben. „Wer in KZs an der Ermordung von Juden mitgewirkt hat, hat keine Kriegsopferrente verdient“, sagte Beck der taz. Es sei „höchste Zeit, dass in den Ländern mehr fachliche und sachliche Kompetenz aufgewendet wird, um diese Fälle zu verfolgen“.
Zehntausende beziehen die Zusatzrente
Der Bundestag hatte 1997 eine Neufassung des Paragrafen 1a des Bundesversorgungsgesetzes beschlossen, nach dem Personen, die gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit in der Zeit des Nationalsozialismus verstoßen hatten, die Kriegsopferrente entzogen werden konnte. Diese Zusatzrente bezogen damals noch rund eine Millionen Kriegsteilnehmer oder deren Witwen.
Erwartet worden war damals, so der schon Mitte November veröffentlichte Schlussbericht aus dem Arbeitsministerium, dass das Gesetz rund 50.000 potenzielle NS-Täter betreffen würde. Eine der Bundesrepublik zugegangene Liste des Simon Wiesenthal Centers führte damals sogar die Namen von 76.000 Personen auf, die gegen Grundsätze der Menschlichkeit verstoßen hätten.
Schon in den 1950er Jahren waren die Kriegsopferrenten, die als Zusatzleistungen für kriegsbedingte Schäden bezahlt werden, Anlass zu heftigen Kontroversen. Entsprechende Renten erhielten etwa die Witwen des 1942 getöteten Chefs des SS-Reichssicherheitshauptamts Reinhard Heydrich und des als „Blutrichter“ berüchtigten Vorsitzenden des Volksgerichtshofs Roland Freisler, der 1945 bei einem Bombenangriff in Berlin gestorben war.
Es fehlt so viel
Die nun erfolgte Evaluierung des Gesetzes in Kooperation mit dem Simon Wiesenthal Center kommt zu dem Ergebnis, dass mehrere Gründe dazu geführt hätten, dass nur in 99 Fällen die Kriegsopferrenten entzogen worden sind. Dazu zählt die fehlende Digitalisierung der Namenskartei bei der Zentralen Stelle zur Ermittlung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg, fehlende Vornamen und Geburtsangaben bei Ämtern sowie zu geringe materielle und personelle Ressourcen.
Zudem verweist der Bericht auf die „unterschiedliche Auslegung“ des neuen Gesetzes, die zu konträren Entscheidungen der Versorgungsverwaltungen führten. Weiterhin wurden mehrere Entscheidungen von deutschen Gerichten wieder kassiert.
Unter den 99 Personen, denen die Kriegsopferrenten entzogen worden ist, befinden sich 14 ehemalige SS-Angehörige, die in Konzentrationslagern eingesetzt worden waren, sechs Angehörige von Polizeibataillonen und ein in die „Euthanasie“-Morde Verwickelter. Ihre Opferrente behalten durften dagegen etwa ein SS-Unterscharführer, der in den KZs Ravensbrück und Sachsenhausen Dienst getan hatte, ein Posten- und Blockführer in Auschwitz oder die Witwe eines SS-Unterscharführers aus dem KZ Mauthausen.
Angesichts der Zahlen lautet das Fazit von Christoph Heubner vom Internationalen Auschwitz-Komitee: „Wenn man daran denkt, mit welcher Kälte und herrischen Distanz vielen NS-Opfern anfangs Renten verweigert wurden, ist das alles nur erbärmlich zu nennen.“
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