piwik no script img

KNEIPENHAVARIEDemütig sein

Auf allen vieren begannen sie den Boden trocken zu wischen

In meiner Stammkneipe gab es einen kleinen Wasserrohrbruch. Das Leck war schnell gefunden und wurde provisorisch von einem handwerklich begabten Gast geschlossen. Nichtsdestotrotz standen die Gäste im Wasser, ungefähr so tief wie eine durchschnittliche Pfütze.

Die Kellnerin war genervt: Mit grimmigem Gesicht versuchte sie den Boden trocken zu wischen, stellte jedoch recht rasch fest, dass diese Putzaktion Stunden gedauert hätte. Sie schmiss den Putzeimer in die Ecke und kümmerte sich wieder um die Gäste, die das Wasser eh nicht zu stören schien. Als ob nichts geschehen sei, wurde fröhlich weiter geplaudert und getrunken. Ungefähr eine halbe Stunde danach betrat ein Mann die Kneipe, der Ende der 90er Jahre durch Funk und Fernsehen eine bekannte Person geworden war. Im Schlepptau hatte er eine ungefähr zwanzig Jahre jüngere Blondine. Mit weit aufgerissenen Pupillen fragte er die Kellnerin, was passiert sei, und nachdem er erfahren hatte, was passiert war, forderte er zwei Putzlappen für sich und seine blonde Begleiterin.

Zunächst wollte die Kellnerin dem Mann den Putzlappen nicht geben, sagte, dass er dies nicht zu machen brauche und dass morgen früh eine Putzfrau komme, die sich darum kümmern würde. Die ehemals bekannte Person aus Funk und Fernsehen ließ sich jedoch nicht beirren, forderte penetrant die Putzlappen und bekam diese schließlich auch ausgehändigt. Dann begannen der Mann und seine blonde Begleiterin auf allen vieren den Boden trocken zu wischen. Während sie zwischen den Beinen der Gäste herumkrochen, sagte der Mann immer wieder: „Man muss demütig sein, ja, man muss demütig sein.“ Ich sah die Kellnerin an. Sie zuckte mit den Schultern und sagte nur: „Scheißdrogen.“ Als ich eine halbe Stunde später die Kneipe verließ, waren die beiden immer noch am Putzen. ALEM GRABOVAC

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen