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Hass der gefallenen Traditionsvereine

Karlsruhe – Stuttgart Seit Wochen hetzen Fans beider Lager vor der Neuauflage des Derbys, das sich nur alle paar Jahre ergibt

KARLSRUHE taz | Der baden-würt­tembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann wird am Sonntag nicht das Karlsruher Wildparkstadion besuchen. „Aus ­privaten Gründen“, sagt er. Ob das stimmt, weiß niemand so genau. Kretschmann ist Fan und Mitglied des VfB Stuttgart – und damit im Badischen herzlich wenig willkommen. So wie eben alle rund 3.000 VfB-Fans, die ihre Mannschaft beim ersten Südwestderby in der zweiten Liga unterstützen wollen.

Im Vorfeld haben die Extremen in beiden Lagern zur Gewalt aufgerufen, bis hin zum Tod. Das ist die hässliche Seite des Derbys. Eine schöne existiert quasi nicht. Selbst die Anekdoten, die vor dem Duell neu aufgewärmt werden, tragen kaum zur Milde bei. Eine handelt von Mario Gomez und Maik Franz, die den badisch-schwäbischen Dauerkonflikt 2008 personalisierten. „Dieses Arschloch“, nannte der Stuttgarter Bundesligastürmer Gomez den Karlsruher Abwehrspieler Franz, weil ihn der über die Maßen strapaziert hatte. Außenmikrofone waren für die Botschaft nicht nötig. Wie ein trotziges Kind trat Gomez damals vor das Mikrofon eines Pre­mie­re-­Reporters. Franz, mittlerweile Teil der Geschäftsführung beim 1. FC Magdeburg, ist seither Kult in Karlsruhe. Eine Zeitlang führte das Badische Tagblattgar die Rubrik „Und was sagt Maik Franz dazu?“

Lang ist’s her. Die Fußball-Machtverhältnisse in Baden-Württemberg haben sich ziemlich verändert. Nachhaltig wirtschaftende Freiburger und Hopp-alimentierte Hoffenheimer sind an den Bundesliga-Gründungsmitgliedern Karlsruhe und Stuttgart vorbeigezogen. Gründe dafür gibt es viele. Beim VfB stimmen zwar die strukturellen Voraussetzungen, seit der Meisterschaft 2007 haben die Schwaben im personellen Bereich aber einen Fehlschlag nach dem nächsten gesetzt. Das gilt für den Trainer-, Spieler- und Vorstandsbereich. Jüngstes Beispiel: Der für diese Saison verpflichtete Coach Jos Luhukay verkündete nach vier Spielen seinen Rücktritt. Er konnte nicht so gut mit Sportvorstand Jan Schindelmeiser.

Beim KSC liegen die Pro­ble­me noch tiefer. Die vielen personellen Fehlschläge verknüpften sich rund um den maroden Wildpark mit den strukturellen Bedingungen. Durch den Abstieg aus der Bundesliga 1998 hat es der Klub verpasst, den kurze Zeit später einsetzenden Fußballboom für nachhaltige Zwecke zu nutzen. Während andernorts – im Zuge der WM-Vergabe – moderne Arenen entstanden, hatte der KSC viel Geld für den Wiederaufstieg verpulvert. Dumm nur, dass sich die Vereinsspitze um Roland Schmider kräftig verkalkulierte. Statt nach oben, ging’s nach unten. 2000 kam der KSC in Liga 3 an und stand bald darauf kurz vor der Insolvenz.

Erholt haben sie sich beim Verein nur bedingt. Um dauerhaft den 20 bis 25 stärksten deutschen Klubs anzugehören, fehlt schlicht die Substanz. Auch in dieser Runde ist für die Badener höchstens ein Platz im unteren Mittelfeld möglich; mehr gibt der Kader nicht her.

Für die Fans ist das Derby gegen den VfB daher umso wichtiger. Mit einem Sieg ist die Saison gerettet. In Stuttgart heißt das primäre Ziel Aufstieg. Die Anhänger wissen aber, dass sich die Möglichkeit zum Derby­sieg gegen die Karlsruher mangels deren Klasse nur alle paar Jahre bietet. Und so ist die Stimmung im Land schon seit Wochen aufgeheizt. In Karlsruhe mussten Hetzplakate entfernt werden, die Aufschrift: Tod dem VfB. Schwaben jagen, Schwaben schlagen. In VfB-Kreisen ist Ähnliches im Umlauf. Für 5 Euro erhält man 50 Aufkleber mit der Aufschrift „Tod und Hass dem KSC“.

1.000 Polizisten sollen deshalb dafür sorgen, dass wenigstens im Nachgang über Fußball geredet wird. Das hofft auch Winfried Kretschmann: „Als Ministerpräsident von Baden-Württemberg halte ich mich mit Tipps besser zurück. Ich wünsche mir ein gutes, leidenschaftliches und faires Spiel.“

Und was sagt Maik Franz dazu? „Stuttgart ist keine Übermannschaft. In einem Heimspiel ist mit der tollen Kulisse alles für den KSC möglich. Ich tippe auf ein 3:1 für den KSC.“ David Joram

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