Berliner Szenen: Leiden mit Passion
Auto ist schneller
Dienstagmorgen, Anfang November, sonniges Herbstwetter. Ich bin mit dem Rad zur Arbeit gekommen. Gut gelaunt treffe ich im Büro ein. Etwas später kommt der Kollege. Er wirkt angeschlagen. Gestern war er schon ein bisschen grippig. Und außerdem November. Und viel Arbeit und so. Denke ich.
„Eine Stunde bin ich um den Block gekreist, das wird hier immer schlimmer mit den Parkplätzen“, stöhnt er. „Jetzt hab ich den Wagen einfach irgendwo abgestellt. Das sind bestimmt wieder 15 Euro für Falschparken.“ Er seufzt. Der Kollege ist passionierter Autofahrer. Denn Autofahren geht schnell und ist bequem. Sagt er. Mehrfach habe ich ihm schon das BVG-65plus-Abo ans Herz gelegt, mit dem er nicht nur viel Geld, sondern auch viel Zeit und vor allem Nerven sparen würde. Aber Autofahrer sind immun gegen solche Angebote. Es gibt viele Gründe, Auto zu fahren, und er kennt sie alle.
Heute wäre ein guter Tag, es noch mal zu probieren. „Guck mal“, sag ich, „da gibt es was, das könnte dir helfen.“ Ich klicke auf die Startseite der Berliner Verkehrsbetriebe und suche beim Routenplaner seine Buslinie. Die braucht von ihm zu Hause bis zur Arbeit 20 Minuten, ohne Umsteigen. „Die holen dich fast zu Hause ab und bringen dich bis hierher. Das ist gar nicht teuer, und einen Parkplatz musst du auch nicht suchen.“
Er schaut mich verständnislos an. „Was soll das sein?“ – „Der M29“, sage ich. Er verdreht die Augen. Jetzt wieder dieses ÖPNV-Gespräch, denkt er sicher. „Das ist doch total mühsam“, sagt er. „Da muss ich erst hinlaufen zu dieser Bushaltestelle. Das finde ich echt unbequem. Und mit dem Auto bin ich einfach schneller.“
Sag ich doch, Autofahrer sind immun gegen solche Angebote. Mit dem Auto ist er fünf Minuten schneller. Die 60 Minuten Parkplatzsuche rechnet er einfach nicht mit. Gaby Coldewey
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