20 Jahre Hamburger Bahnhof: Umstrittene Sammelstelle
An der Schnittstelle zwischen privaten Sammlern und öffentlicher Hand: Vor 20 Jahren eröffnete der Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart.
Nach 20 Jahren hat man sich an vieles gewöhnt und nimmt vieles als selbstverständlich, was früher einmal Streit entfachte. So geht es einem mit dem Hamburger Bahnhof, dem „Museum für Gegenwart“, wie dieses Haus offiziell heißt. Der Name sollte ein Museum neuen Typs propagieren, eines, in dem es anders zugeht.
Anders sollte dieses 1996 eröffnete Museum deshalb sein, weil die Kunst seit etwa 1960 im Sinne eines erweiterten Kunstbegriffs mit anderen Mitteln und in anderen Medien daherkommt als in der Zeit davor. Der Hamburger Bahnhof, Teil der Staatlichen Museen Berlin, sollte genau für diese „Gegenwart“ seit Joseph Beuys zuständig sein.
„Die Revolution sind wir“, der Titel der bislang größten Beuys-Ausstellung im Jahre 2008/9, griff diese neue Lage auf, blieb aber den revolutionären Konterpart gegenüber Kunst und Künstler schuldig. Bilanzierend kann man sagen: Der Hamburger Bahnhof konnte seinen selbsterklärten „prozessualen“ Anspruch bislang eigentlich kaum einmal erfüllen.
Zwar gab viele gute Ausstellungen, aber die Formen der Präsentation bleiben doch meist beim Bewährten stehen, zuweilen etwas interdisziplinär aufgelockert, manchmal auch bis zum Event sich steigernd. Lebende Rentiere (Carsten Höller, 2010) oder unter der Decke schwebende Klettergespinste (Tomás Saraceno, 2011) lieferten zwar mitunter Spektakuläres, aber es bleibt beim Beobachter doch eine gewisse Ratlosigkeit bestehen eingedenk des Anspruchs, den der langjährige Leiter des Museums, Eugen Blume, zu seinem Abschied im August so formulierte: nämlich zu zeigen, „inwiefern sich Künstler an den geistigen Entwicklungen der Zeit beteiligen, welche Fragen sie stellen oder welche die Institution an die Künstler stellt“.
Selbstgewählt abhängig
Umstritten war der Hamburger Bahnhof seit Anfang an, vor allem wegen seiner selbstgewählten Abhängigkeit von privaten Sammlern. Schon die Idee für ein Gegenwartsmuseum speiste sich in den achtziger Jahren aus der Hoffnung auf die Präsentation – vielleicht auch Übernahme – von Kunstsammlungen von privater Seite. Inzwischen sind staatliche Institutionen selbst in einem der wirtschaftlich stärksten Länder der Welt nicht mehr in der Lage, am Kunstmarkt ernsthaft mitzubieten und auf diese Weise ihren Sammlungsauftrag erfüllen zu können.
Erst die Strategie des „Wir sammeln Sammler“, wie es der bis 2008 amtierende Generaldirektor der Staatlichen Museen Peter-Klaus Schuster seinerzeit formulierte, hat es dem Hamburger Bahnhof ermöglicht, das abzubilden, was heute am Kunstmarkt als Spitzenwerke gehandelt wird. Und diese Ware ist im Wesentlichen das Material, das Kunstgeschichte schreibt.
Anfänglich war es nur der Berliner Bauunternehmer Erich Marx mit seiner Kunstsammlung, mit dem man sich im Hamburger Bahnhof zu arrangieren hatte. Vor allem dem von Marx mitgebrachten Kurator Heiner Bastian musste sich das Museum geradezu ausliefern. Der 1989 als offizieller „Hauptkustos“ für den Hamburger Bahnhof berufene Wulf Herzogenrath ging wegen dieser institutionalisierten Abhängigkeit (man kann auch sagen, wegen Streits mit Bastian) bereits 1994, also noch vor Eröffnung des Hauses, lieber zur Kunsthalle Bremen. Bastian seinerseits schmiss 2007 hin. Inzwischen war ein noch größerer Sammler auf der Bildfläche erscheinen, der Marx und seinem Kurator die Schau stahl.
Zur Feier des 20-Jährigen zeigt man sich im Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart entgegenkommend mit einem eintrittsfreien Wochenende.
Dabei hat man am Samstag und Sonntag von 11 bis 18 Uhr auch die letzte Gelegenheit, die Ausstellungen „Manifesto" von Julian Rosefeldt und „Das Kapital. Schuld – Territorium – Utopie" in Blick zu nehmen. Neben den Sammlungen des am 1. November 1996 eröffneten Hauses in der Invalidenstraße 50/51 sind dazu die aktuellen Schauen "Scores" mit Musikwerken bildender Künstler und Arbeiten von Ernst Ludwig Kirchner zu sehen.
Die Flick-Connection
Seit 2004 steht der Hamburger Bahnhof mit Friedrich Christian Flick im Bunde, einem durch die Kunst geläuterten Lebemann, Steuerflüchtling und Erbe des Blutgelds seines Großvaters. Dieser Friedrich Flick hatte im Hitlerreich durch Rüstung und mittels Zwangsarbeiter gut verdient. Dass das Millionenerbe des verurteilten Kriegsverbrechers in Kunstwerke umgetauscht nun zur Basis der Museumsarbeit im Hamburger Bahnhof wurde, fanden viele kritikwürdig.
Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz störte sich daran nicht. Erst die Flick Collection, vom Hamburger Bahnhof wissenschaftlich bearbeitet und öffentlich ausgestellt, macht ihn zu einem in jedem Sinne „großen“ Haus. Allein die an den Hamburger Bahnhof angeschlossenen 6.000 Quadratmeter der Flick Collection in den sogenannten Rieckhallen vergrößern das Museum ungefähr um das Doppelte.
Zur den Sammlerpartnerschaften des Hamburger Bahnhofs kommt noch die mit dem eher unauffälligen Egidio Marzona, der vor wenigen Monaten erst einen Teil seiner Sammlung dann doch lieber den Kunstsammlungen in Dresden zusprach. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz bemühte sich, das nicht als Niederlage erscheinen zu lassen. Aber: Wer Sammler sammeln will, muss sich inzwischen darauf gefasst machen, das die heute ihrerseits in der Lage sind, sich die Museen auszusuchen, die ihren Besitz veredeln sollen.
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