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Die Stimmen auch im Exil hörbaren machen

Projekt Temporär eröffnet am Rosa-Luxemburg-Platz das „Goethe-Institut Damaskus im Exil“mit rund 45 Veranstaltungen

Was tun KünstlerInnen im Krieg? Und was Kulturschaffende, wenn sie weder stützende Strukturen haben noch eine Bühne und überhaupt ihres Lebens nicht mehr sicher sind? Wenn möglich gehen sie ins Exil, versuchen weiterzuleben und zu arbeiten. Im vergangenen Jahr kamen 250.000 SyrerInnen nach Deutschland, sie hinterließen klaffende Lücken, wie auch das Goethe-Institut, das 2012 den Standort Damaskus schloss. Nun hat es in einem temporären Projekt mit dem Namen „Goethe-Institut Damaskus im Exil“ in einem Ladenlokal nahe der Volksbühne wiedereröffnet. Von heute bis zum 5. November wird es dort rund 45 Veranstaltungen geben: Lesungen, Diskussionen, Workshops und Filme.

Wie aber ist das deutsche Kulturinstitut im Exil gelandet? Seit mehr als drei Jahren engagiere man sich für Flüchtlinge, vor allem in den an Syrien angrenzenden Staaten. „Das machen wir, seit sich die ersten Ströme aus Syrien wegbewegten“, erklärt der Generalsekretär des Goethe-Instituts Johannes Ebert bei der Eröffnung des temporären Instituts. Hier liegen die Wurzeln für das Projekt, seither sei die Frage gewesen: Wie können die Stimmen von KünstlerInnen im Exil auch in Deutschland hörbar gemacht werden?

Die Ideen waren vielfältig: eine Konferenz, Netzwerke, Stipendien. Schließlich war die Erinnerung an den verlorenen Schutzraum in Damaskus ausschlaggebend. Man entschied sich für einen offenen Ort. Pelican Mourad war in den 90er Jahren Programmkoordinatorin des Goethe-Instituts Damaskus – heute lebt sie in Berlin und koordiniert das Exil-Institut. Sie erinnert sich an die Diskussionen, die Begegnungen in den Galerieräumen der Adnan Al Malki Straße, an einen Ort, der für verschiedene Meinungen und Diskussionen offen war und den es nicht mehr gibt. „So ein Ort fehlt den Syrerinnen und Syrern nun im Exil“, sagt Mourad.

Das sieht auch die Filmemacherin Diana El Jeroudi so. Sie hat in Berlin „Dox Box“ gegründet, einen Verein für DokufilmerInnen aus dem arabischen Raum, benannt nach dem gleichnamige Filmfestival, das sie 2007 in Damaskus organisiert hatte. Sie erzählt von der Arbeitssituation der KünstlerInnen in Syrien. „Es gibt eine Diaspora der etablierten Filmemacher“, sagt sie, „sie leben im Libanon, in der Türkei und 20 auch in Deutschland.“ Nach dem Verlust des sozialen und künstlerischen Umfelds, dem der Muttersprache, weiterzuar­beiten ist schmerzhaft. Nicht wenige KünstlerInnen verlieren so ihre Stimme. El Jeroudi spricht von der „Verunsicherung des Exils“, von einer generellen Verletzlichkeit. Von dem kleinen Raum des Goethe-Institut im Exil erhofft sie sich das: 70 Quadratmeter, auf denen man nicht übereinander urteilt, sondern sich unterstützt.

In Syrien schließlich sei das nach dem Scheitern des Arabischen Frühlings nicht mehr möglich gewesen. „Wir konnten uns nicht mehr frei ausdrücken, es gab nur noch wenige vom Staat anerkannte Künstler“, sagt die junge Künstlerin Alina Amer. Für Kunststudierende sei das Land heute so eng und verschlossen wie nie: „Es ist eine Art Folter.“ Daraus auszubrechen und den SyrerInnen eine Plattform zu geben, das hat sich das temporäre Institut vorgenommen.

Kaum sind die KünstlerInnen von der Bühne gegangen, stehen die Interessierten zusammen und sprechen in verschiedenen Sprachen. Wird es gelingen, ExilantInnen zu erreichen? Was soll es nach den 17 Tagen weitergehen? Warum sind es nur SyrerInnen, die ein Exil-Institut bekommen? Und – an wen richtet sich das Programm? Die vom Auswärtigen Amt vorgegebene Aufgabe des Goethe-Instituts ist schließlich die Vermittlung der deutschen Kultur im Ausland. In den nächsten Tagen wird dar­über noch weiter diskutiert werden. Sonja Vogel

„Goethe-Institut Damaskus im Exil“, Rosa-Luxemburg-Str. 26, bis zum 5. November. Infos: goethe.de/de/u/ver/dix.html

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