Verdächtiger knapp entwischt

TERROR Gesichtet, aber nicht gefasst: Polizei sucht bundesweit nach einem Syrer, der von Chemnitz aus einen Sprengstoffanschlag geplant haben soll. Er könnte bewaffnet sein

„Hochbrisanter Sprengstoff“ wurde kontrolliert detoniert

von Sabine am Orde

BERLIN taz/dpa | Am Tag nach der Razzia ist der Plattenbau im Chemnitzer Fritz-Heckert-Wohngebiet noch immer gesperrt, die 80 Mieter des Hauses müssen sich bis Montag eine andere Bleibe suchen. Für einen von ihnen gilt das nicht: Er sitzt in Untersuchungshaft.

Der Mann hat die Wohnung angemietet, in der die Polizei am Samstag mehrere Hundert Gramm eines „hochbrisanten Sprengstoffes“ fand und könnte Komplize des 22-jährigen Jaber A. sein.

A. steht im Verdacht, einen Sprengstoffanschlag mit islamistischem Hintergrund geplant zu haben. Die Polizei fahndet bundesweit nach ihm. Zu möglichen Anschlagszielen äußerte sich das zuständige Landeskriminalamt in Sachsen bislang nicht. Auch ob eine Verbindung zum IS besteht, ist derzeit noch unklar.

A., der nach Informationen des LKA in einem Vorort von Damaskus geboren wurde, ist im vergangenen Jahr nach Deutschland eingereist und inzwischen als Flüchtling anerkannt. Der Syrer ist der Polizei am Samstagmorgen nur knapp entwischt. Um kurz nach sieben Uhr verließ er das Haus in der Straße Ústí nad Labem 97, das observiert wurde. Die Polizisten sahen den Verdächtigen, gaben einen Warnschuss ab, konnten ihn aber nicht fassen, so eine LKA-Sprecherin. Ob A. die Polizeibeamten entdeckt hatte oder den Plattenbau zufällig verließ, ist noch unklar. Den Hinweis auf A. erhielt das LKA vom Bundesamt für Verfassungsschutz, das den Verdächtigen schon einige Zeit im Visier hatte und die Informationen am Freitag weitergab.

In der Wohnung, die anschließend erstürmt wurde, fanden die Polizeibeamten niemanden vor, sie entdeckten aber den Sprengstoff, der gut versteckt gewesen sei. Dabei könnte es sich um TATP oder ein sehr ähnliches Gemisch handeln – einen höchst gefährlichen Sprengstoff, der extrem empfindlich ist und leicht explodiert. Spezialisten ließen den Sprengstoff am Samstagabend in einem Erdloch unweit des Fundorts kon­trol­liert detonieren. TATP, dessen Bestandteile leicht zu beschaffen sind, wurde bei den Anschlägen im November 2015 in Paris und im März 2016 in Brüssel verwendet.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass A. Waffen oder explosives Material bei sich trägt. Das LKA warnte deshalb per Twitter: „Derzeit wissen wir aber nicht, wo er sich befindet und was er bei sich trägt. Seid vorsichtig.“

Im Zuge der Antiterror­ermittlungen ließ die Polizei in Chemnitz den Hauptbahnhof teilweise sperren. Auch an den Berliner Flughäfen verstärkte die Polizei ihre Einsätze; sie sollen bis mindestens Montagmorgen andauern. Autos und Busse würden angehalten und kontrolliert, teilten die Behörden mit.

Am Sonntag holten Beamte der Bundespolizei auf dem Berliner Flughafen Tegel einen Mann aus einer Eurowings-Maschine. Zwischen dem Fluggast und dem gesuchten Syrer soll eine gewisse Ähnlichkeit bestanden haben, es handelte sich aber um eine Verwechslung.