EU-Kommissarin und Briefkastenfirmen: Zwischen Brüssel und Bahamas
Die Exwettbewerbskommissarin der EU, Neelie Kroes, hat einen Posten bei einer Offshore-Firma verschwiegen. Die Kommission ist irritiert.
Doch niemand wusste etwas davon. Wie kann das sein? Die EU-Kommission hatte am Donnerstag große Mühe, das zu erklären. Kroes habe sich offenbar nicht an die Regeln gehalten, sagte der Sprecher von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Man werde der Sache nachgehen und habe bereits schriftlich Auskunft angefordert. Eigenversagen könne man aber ausschließen, so der Sprecher: „Wir haben die strengsten Regeln der Welt.“ Vor falschen Angaben könne sich die Kommission jedoch nicht schützen.
Tatsächlich werden die Vermögensangaben und Geschäftsbeziehungen der Kommissare bisher nicht überprüft. Es reicht, sie offenzulegen, Sanktionen für Falschangaben sind nicht vorgesehen. Schlimmstenfalls könnten Kroes die Pensionsansprüche gekürzt werden, heißt es in Brüssel. Allerdings verteidigt sich die Niederländerin: Die Mint Holding sei nie aktiviert worden – sie habe es deshalb auch schlicht vergessen, sie zu melden.
Für die EU-Kommission kommt die Enthüllung zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Nach dem Brexit-Votum wirbt sie in der Öffentlichkeit fast schon verzweifelt um verlorenes Vertrauen. Juncker hatte sich bereits über die Entscheidung seines Vorgängers José Manuel Barroso befremdet gezeigt, einen Job bei der Investmentbank Goldman Sachs in London anzunehmen. Auch in diesem Fall reichte es bisher aber nur zu symbolischen Strafen – Barroso wurde der freie Zugang zum Kommissionsgebäude untersagt, er muss künftig wie ein Lobbyist um Eintritt ersuchen.
Transparency International rief die EU auf, ihre Maßnahmen gegen Geldwäsche zu verschärfen. Für öffentliche Unternehmensregister sprach sich auch der grüne Europaabgeordnete und Finanzexperte Sven Giegold aus. Der Fall Kroes sei ein „Negativbeispiel für die Beschädigung von Vertrauen in die Politik“, so Giegold. Die Bundesregierung solle Forderungen nach mehr Transparenz nicht weiter blockieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pro und Contra Letzte Generation
Ist die Letzte Generation gescheitert?
Elon Musk torpediert Haushaltseinigung
Schützt die Demokratien vor den Superreichen!
Die Linke im Bundestagswahlkampf
Kleine Partei, großer Anspruch
Studie zum Tempolimit
Es könnte so einfach sein
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht macht BND für Irrtum verantwortlich