„Viel zu oft nur Frauenthema“

ARBEITSWELTEN Immer mehr Berliner Männer wollen Beruf und Familie vereinbaren. Leider ist das bei deren Chefs noch nicht richtig angekommen, kritisiert Thomas Härtel vom Familienbeirat

Thomas Härtel

Foto: privat

65, ist Vorsitzender des Berliner Beirats für Familienfragen, der unter anderem den Senat zur Familienpolitik berät. Härtel war von 1999 bis 2007 Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport.

taz: Herr Härtel, insbesondere wenn man sich bei Familien aus dem links-grünen Milieu umhört, bekommt man den Eindruck: Eigentlich sind die Väter doch inzwischen auch zu Hause sehr präsent. Und wenn man mal über diesen Tellerrand hinausblickt?

Thomas Härtel: Na ja, wir wissen ja, dass Väter insgesamt deutlich weniger oft Elternzeit in Anspruch nehmen als Mütter. Grundsätzlich haben die Männer die Betreuung der Kinder also noch nicht in dem Maße in den Blick genommen, wie es die Mütter tun. Aber man muss ja auch mal die Tendenzen sehen: In Berlin nehmen inzwischen rund 38 Prozent der Väter Elternzeitmonate – das ist Platz fünf im Bundesschnitt …

… und die Berliner Männer nehmen länger Elternzeit als der bundesdeutsche Durchschnittsvater: statt 2 Monaten 4 Monate. Woran liegt ’s, dass die Väter hier so fortschrittlich sind?

Ich glaube, es findet insgesamt ein gesellschaftlicher Mentalitätswandel statt – die Idee, dass sowohl Mutter als auch Vater eine gemeinsame Verantwortung zu Hause übernehmen. Aber diese Entwicklung hin zu einem modernen Familienbild läuft in einigen Kiezen hier, in einem bestimmten Milieu, komprimierter ab. Ich sage immer ein wenig salopp: Eltern werden ist ja auch ansteckend. Und die Familien, die man in seinem Umfeld erlebt, übernehmen dann natürlich auch eine gewisse Vorbildfunktion.

Dass sich die gesellschaftlichen Rollenbilder in den Köpfen der Familien langsam ändern, muss aber auch bei deren Chefs ankommen. Ist dem denn so?

Ich glaube, auch da gibt es in Berlin günstige Umstände. Hier gibt es viele große Unternehmen, den öffentlichen Dienst als großen Arbeitgeber, und die haben natürlich eher die Kapazitäten, flexible Arbeitszeitmodelle zu entwickeln, als der kleine Handwerksbetrieb von nebenan. Trotzdem stellen wir fest: Insgesamt muss sich auch in den größeren Unternehmen noch einiges bewegen. Die Vereinbarkeit von Job und Familie ist in den Betrieben noch viel zu oft ein Frauenthema.

Muss man die Väter in den Firmen denn anders ansprechen?

Ich glaube, man muss sie überhaupt ansprechen. Die Chefs und die Personalabteilungen zeigen Männern noch viel zu wenig die Möglichkeiten auf, die sie inzwischen haben …

Stichwort Elterngeld Plus etwa, wo beide Partner nach der Elternzeit einige Monate gemeinsam in Teilzeit gehen.

Zum Beispiel. Die Unternehmen, das gilt im Übrigen auch für den öffentlichen Dienst in Berlin, haben die Männer als Väter noch gar nicht richtig auf dem Schirm. Da muss sich an den herrschenden Rollenverständnissen in den Personalabteilungen noch einiges ändern.

Nun könnte man sagen: „Teilzeitmodelle gut und schön – aber die simple Tatsache, dass Männer besser verdienen, dürfte doch aber ein entscheidender Grund für so manchen verhinderten Elternzeitvater sein“?

Natürlich, die Einkommensschere ist ein Faktor, der Gleichberechtigung verhindert. Zudem muss man auch die unterschiedlichen Branchen sehen, in denen Männer und Frauen arbeiten.

Das Beispiel kleiner Handwerksbetrieb …

Ein klassischer Männerbereich. Die Väter haben dort zum einen Hemmungen, nach Elternzeit zu fragen – einfach, weil die Rollenbilder da auch oft noch ganz andere sind. Zum anderen sagen mir die Handwerksmeister: Flexible Arbeitszeitmodelle, wie denn? Ein Auftrag muss erledigt werden, und der Kunde hat kein Verständnis dafür, wenn das in Teilzeit ablaufen soll.

Interview Anna Klöpper