Stuttgart 21

Heute wird in Baden-Württembergs Hauptstadt der Grundstein für den neuen Bahnhof gelegt. Viele Polit-Prominente kommen nicht

Der Traum vom Umstieg

Gegenkonzept Stuttgart-21-Gegner haben in der Debatte wieder die Oberhand

STUTTGART taz | Ein Bestseller ist die 48-seitige blaue Broschüre vielleicht noch nicht – aber „Umstieg 21 – Auswege aus der Sackgasse“, das Konzept der Bewegung gegen Stuttgart 21 und für einen leistungsfähigen Kopfbahnhof, stößt bei Freund und Feind auf großes Interesse. Vor allem seitdem der Bundesrechnungshof vor einer erneuten Kostenexplosion warnt.

Selbst bei der IHK Stuttgart, einst Hochburg der Befürworter eines unterirdischen Durchgangsbahnhofs, interessiert man sich so sehr, dass dort noch im Herbst eine Veranstaltung vor geladenen Gästen stattfinden soll, auf der die Projektgegner ihr Alternativkonzept vorstellen werden.

Sechs Jahre nach dem offiziellen Baubeginn ist der Widerstand quietschlebendig. Den Kalender des Aktionsbündnisses schmücken in normalen Wochen mehr als 10 Termine, im August feierte die Montagsdemonstration ihr 333. Jubiläum. Woche für Woche ziehen nach wie vor Hunderte, manchmal sogar über tausend S21-Gegner durch die Stadt.

Nach der verlorenen Volksabstimmung hatte das Bündnis aus Dutzenden Gruppen Vereinen und Verbänden an Schwung verloren. Die großen Umweltverbände steigen aus, „aus strategischen Gründen,“ hieß es. Auch ein Wahl-Bündnis mit der Linkspartei bei der Landtagswahl brachte politisch keinen Erfolg: Selbst die Galionsfigur der Bewegung, Hannes Rockenbauch, blieb als unabhängiger Kandidat erfolglos. Lange schien es so, als müsse man sich damit abfinden, dass das verhasste Projekt ausgerechnet unter einem grünen Ministerpräsidenten beendet wird.

Das ist anders, seitdem über die drohende Kostenexplosion debattiert wird, die die Gegner immer prophezeit haben. Mit ihrem modularen Gegenkonzept haben sie zum ersten Mal seit der Volksabstimmung wieder die Oberhand in der Debatte. Inhaltliche Arbeit in Zusammenarbeit mit Verkehrsexperten zeichnete die Bürgerbewegung seit Anbeginn aus. Nun hat ein Team aus Ingenieuren, Architekten und Verkehrsplanern ein Konzept für einen Umstieg entworfen und bereits im Juni vorgelegt.

Der Charme des Konzepts: Keine der Baumaßnahmen der vergangenen sechs Jahre wären umsonst gewesen, sie könnten in den neuen Plan integriert werden, und es würde nicht 5 Milliarden Euro kosten. „Wir stoßen da gerade jetzt bei der Politik auf offene Ohren“, sagt Aktionsbündnis-Sprecher Werner Sauerborn.

Das Einzige, was die Bahn bisher offiziell zu dem Gegenkonzept verlauten lässt: Der Zug für einen Umstieg sei längst abgefahren. Doch der Sprecher der „Oben bleiben!“-Fraktion kann darüber nur lachen. „Die müssten noch eine ganze Menge bauen, bis unser Modell nicht mehr umsetzbar wäre.“ Die Grundsteinlegung jedenfalls sei kein Hinderungsgrund. BST