Intrigen gegen Resozialisierung

Strafvollzug Diskussionen über prekäre Personalsituation in den Gefängnissen ersticken einen Diskurs über rot-grüne Bestrebungen nach besserer Resozialisierung

Ein Diskus um bessere Resozialisierung soll unmöglich gemacht werden

VON Kai von Appen

Hamburgs Strafvollzug steht derzeit im Fokus öffentlicher Debatten: Kaum eine Woche vergeht, in der nicht eine Justizvollzugsanstalt (JVA) in die Schlagzeilen gerät. Zuletzt machte ein anonymer Brandbrief zur JVA Fuhlsbüttel Furore, in dem „fatale Sicherheitslücken“ in „Santa Fu“ bemängelt werden. Davor ein von der Gefängnisleitung verfügtes Arbeitsverbot der Insassen der JVA Billwerder wegen Personalmangels und im August der mehrtägige Ausnahmezustand mit Gefangeneneinschluss in der JVA Fuhlsbüttel nach einer angekündigten Geiselnahme.

Für den justizpolitischen Sprecher der CDU, Richard Seelmaecker, sei die „katastrophale Personalsituation inzwischen ein Pulverfass“: „Der geringste Funke genügt, um es zur Explosion zu bringen.“ Dafür sei der grüne Justizsenator Till Steffen „persönlich verantwortlich“.

Tatsächlich hatte Steffen 2009 die Ausbildung von Justizvollzugsbediensteten zwecks Haushaltskonsolidierung einstellen lassen – damals als Präses der Justizbehörde, allerdings in einem CDU-geführten schwarz-grünen Senat.

Doch inzwischen äußern Justiz-Insider Zweifel daran, dass es der Opposition um die Beseitigung der aktuell prekären Personalsituation geht: Vielmehr zielten die Verlautbarungen darauf, einer geplanten Reform des Resozialisierungsgesetzes durch die rot-grüne Koalition bereits im Vorfeld durch Intrigen den Wind aus den Segeln zu nehmen. „Die, die unter Schwarz-Schill hier Funktionen übernommen haben, wollen kein Zurück“, sagte ein Mitarbeiter aus der JVA-Billwerder der taz.

Dass es im Strafvollzug Engpässe gibt, räumt Senator Steffen unumwunden ein: „Die Personalsituation ist angespannt. Das wirkt sich auch auf das Betriebsklima aus und führt zu Unzufriedenheit.“ Acht bis zehn Prozent der knapp 980 Stellen für 1.700 Gefangene seien nicht besetzt. Sicherheitsmängel gebe es in „Santa Fu“ aber keine.

Bei einem Gespräch mit der Anstaltsleitung stellte die Behörde eine personelle Besserung in Aussicht. „Bereits Anfang Oktober kommen zehn neue Kolleginnen und Kollegen nach Fuhlsbüttel“, so Steffen. Man habe eine „Ausbildungsoffensive“ gestartet. Statt drei Lehrgänge mit 60 Auszubildenden werde es künftig fünf Lehrgänge mit 100 Auszubildenden geben. „Allerdings brauchen wir einen langen Atem“, so Steffen.

Der justizpolitische Sprecher der Linken, Martin Dolzer, bezweifelt, dass es ein reales Sicherheitsproblem wegen der prekären Personalsituation gibt. „Dann würde es ja massenhaft Ausbrüche geben“, sagte er. Die Überlastung des Personals gehe vor allem zu Lasten der Gefangenen, da Arztbesuche nicht stattfinden könnten oder Anträge auf rechtlichen Beistand nicht bearbeitet würden. „Ein Treffen von Strafverteidigern hat ergeben, dass in Santa Fu gar nichts mehr läuft“, sagte Dolzer. „Die Diskussion um die Sicherheitsmängel ist ein Nebendiskurs, um einen Diskus um bessere Resozialisierung unmöglich zu machen.“