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Entlassung von HSV-Trainer LabbadiaRaus mit Applaus

Trotz starker Leistung gegen den FC Bayern entlässt der HSV seinen Trainer. Ausschlaggebend war die mittelfristige Entwicklung. Kommt Gisdol?

Auch ein feiner Zwirn bei der 0:1-Niederlage gegen Bayern rettete Labbadia nicht den Job Foto: reuters

Der FC Bayern ist in der Bundesliga kein Gradmesser, im Guten wie im Schlechten. Das musste HSV-Trainer Bruno Labbadia am Sonntag erfahren. Um 11.02 Uhr gab der Klub die Beurlaubung seines Trainerteams bekannt – 18 Stunden nachdem der HSV gegen den Bundesliga-Rekordstarter um ein Haar die Sensation geschafft hätte und der Trainer von den Fans lautstark gefeiert wurde.

Am Ende musste HSV-Boss Dietmar Beiersdorfer fast froh sein, dass Thiago nach 88 Minuten einen Geistesblitz hatte und doch noch den Siegtreffer für die Münchner durch Joshua Kimmich einleitete. Sonst wäre er in noch größere Erklärungsnöte geraten. Denn der HSV hatte den Bayern länger standgehalten als alle bisherigen Gegner.

Doch nach einer guten Stunde hatten die Gäste „Rhythmus und Intensität erhöht“ und dann logischerweise auch „die richtige Torgelegenheit gefunden“, wie deren Trainer Carlo Ancelotti trocken sagte. Der glimpfliche Ausgang könnte also auch etwas damit zu tun haben, wie fein die Bayern den nötigen Aufwand mittlerweile dosieren.

Aber ob der HSV mit Disziplin und Einsatz die Entfaltung des Bayern-Spiels verhindert hatte, oder ob der Rekordmeister schlicht die Handbremse spät gelöst hatte – das war am Ende völlig egal. Labbadias Ende war schon nach dem 0:1 am vergangenen Dienstag in Freiburg beschlossene Sache. Nachdem sich die Mannschaft einmal mehr leblos der Niederlage ergeben hatte, war Beiersdorfer erstmals auf Distanz zum Trainer gegangen.

Früher Erfolg, dann stagnierte das Team

Beiersdorfer ist kein Mann, der zu Schnellschüssen neigt. Er selbst hatte Labbadia vor 17 Monaten zum zweiten Mal zum HSV geholt. Der Erfolg, der Klassenerhalt dank des gewonnenen Relegationsduells, gab ihm Recht. Aber seitdem stagnierte die Mannschaft trotz großer Investitionen.

Die starke Leistung gegen die Bayern schien dem Vorstandsvorsitzenden der HSV AG nicht als Indiz für eine Verbesserung zu taugen: „Unser Problem ist, dass wir zu wenig Tormöglichkeiten kreieren“, sagte er nach dem Spiel. Gegen die Bayern waren es anderthalb. Das kann man ganz ordentlich finden. Aber es lässt eben keinen Rückschluss darauf zu, ob es gegen Darmstadt mehr wären. Und nach dem späten 0:1 gegen die Bayern konnte Beiersdorfer immerhin konstatieren: „Ein Punkt aus fünf Spielen ist zu wenig.“

Ist Beiersdorfer der Erfüllungsgehilfe von HSV-Investor Klaus-Michael Kühne?

In der Kritik steht der HSV-Chef, weil man das Gefühl nicht los wird, er sei der Erfüllungsgehilfe von HSV-Investor Klaus-Michael Kühne. Während Labbadia in der Pressekonferenz am Donnerstag Sympathiepunkte damit sammelte, wie er versuchte, den Fokus weg von seiner Person und hin zum anstehenden Spiel zu verschieben, soll Beiersdorfer mit dem sprunghaften Milliardär zusammen gesessen haben. Der hatte Labbadia schon nach dem 1:1 gegen Ingolstadt am ersten Spieltag mit den Worten unter Druck gesetzt: „Abwarten, ob Labbadia das Team in Form bringen kann.“

Wie bei Labbadia war es zuletzt oft beim HSV

Das erinnerte stark an die letzten vier Abgänge von Führungskräften beim HSV. Öffentlich angezählt hatte Kühne die Trainer Mirko Slomka („Ich glaube nicht an diesen Trainer.“) und Joe Zinnbauer („Hat bisher keine Mannschaft formen können.“) sowie Sportchef Oliver Kreuzer („Drittliga-Manager“). Und „Veränderungen in der Management-Ebene“ – auf Deutsch: den Rauswurf von Kreuzer-Nachfolger Peter Knäbel – soll Kühne zur Bedingung dafür gemacht haben, dass er vor dieser Saison erneut frisches Geld in neue Spieler steckte, die er mit aussucht.

Fast trotzig wirkte da Labbadias Umgang mit einer dieser Neuerwerbungen, dem vom FC Barcelona gekommenen Alen Halilović. Der Trainer bemängelte Trainingsleistungen und Abwehrverhalten – und strich das Offensiv-Talent gegen die Bayern aus dem Kader. Eine Beschädigung seines Investments, die sich Kühne kaum bieten lassen kann.

Diese Struktur wird abwägen müssen, wer nun der 15. HSV-Chefcoach in acht Jahren werden möchte. Der heißeste Kandidat Markus Gisdol ist zwar aus Hoffenheim den Umgang mit wohlhabenden, fußballbegeisterten Laien gewohnt. Aber er ist unabhängiger Kopf genug, sich nicht ins Handwerk pfuschen zu lassen. Und offenbar in komfortabler Lage: Auch Werder Bremen soll an Gisdols Diensten interessiert sein.

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8 Kommentare

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  • Der HSV ist eben auch in Sachen Trainerwechsel ganz weit vorne.

    http://www.der-postillon.com/2016/09/hsv-schleudersitz.html#more

    • @Rainer B.:

      Wobei man aber auch sehen muss, dass nicht alle Trainer in den letzten acht Jahren "gefeuert" wurden. Martin Jol z.B. wurde nach nur einem Jahr von Ajax Amsterdam abgeworben, Vorgänger Huub Stevens (2007-2008) verlängerte auf eigenen Wunsch seinen auslaufenden Vertrag nicht, weil er näher bei seiner damals schwer erkrankten Frau (Morbus Crohn) sein wollte. Auch Armin Veh (2010-2011) verliess von sich aus den Verein nach nur einem dreiviertel Jahr, er zog eine "Ausstiegsklausel" in seinem Vertrag. Als Grund gab er die "Querelen" um die Besetzung des Sportmanagerpostens an, welche ihm seine Arbeit zusehends erschweren würden.

       

      Der glücklose Zinnbauer (2014-2015) trat Ende März 2015 in gegenseitigem Einvernehmen von seinem Posten als Cheftrainer der Profis zurück, trainerte dann aber ab dem Sommer wieder die zweite Mannschaft des HSV, ehe er vier Monate später vom Schweizer Erstligisten FC St. Gallen abgeworben wurde.

       

      Von den vereinsseitig suspendierten Trainern fand Michael Oenning (2011) anschliessend fast fünf Jahre lang keinen Job bei einem anderen Profiverein, er trainert seit dem Sommer eine Mannschaft in der ungarischen Liga. Mirko Slomka (2014) ist noch ohne neue Anstellung, auch Bert van Marwijk fand nach seinem Engagement beim HSV, bei dem er mit sieben hintereinander verlorenen Spielen für einen absoluten Negativrekord in 51 Jahren Bundesligazugehörigkeit sorgte, keinen neuen Club. Er trainiert heute die saudische Nationalmannschaft.

       

      Knapp die Hälfte der Demissionen fanden also auf eigenen Wunsch der jeweiligen Trainer statt, bis auf Labbadia und Fink hatten/haben die entlassenen Übungsleiter Schwierigkeiten, überhaupt eine Trainerstelle bei einem neuen Verein zu finden.

       

      Auch wenn beim HSV in den letzten Jahren einiges nicht rund lief, was die Strukturen und die Wahl des Personals anbetrifft, soviel, wie immer gerne von seinen Kritikern und Neidern behauptet, wurde dort auch nicht falsch gemacht.

      • @cursed with a brain:

        Bin jetzt nicht so der HSV-Historiker, aber an den Krampf um Armin Veh kann ich mich noch ganz gut erinnern. Der wusste doch am Beginn der Woche nie, ob er am Wochenende noch Trainer beim HSV sein wird, bzw. ob es seinen Arbeitgeber dann überhaupt noch gibt. Labbadia hat eine eigentlich zweitklassige Mannschaft über eine Saison in der 1. Liga gut mit durchgezogen. Jetzt läuft's nicht wie gewünscht weiter und bevor man sich mal der Realität annähert, wird dann eben schnell der Trainer entlassen. Der Gisdol kann einem doch jetzt schon leid tun, aber wenigstens muss er den Weg in die zweite Liga wohl nicht mitgehen.

        • @Rainer B.:

          Die Hintergründe zu Labbadias jetziger entlassung hatte ich weiter unten bereits dargelegt. Im wesentlichen hat er sich mit Beiersdorfer überworfen, weil der einen attraktiveren, angriffsbetonten Fussball sehen wollte, daüfr mit Waldschmidt und Halilovic zwei Spieler holte, die Labbadia offenbar nicht auf seinem Zettel hatte. Angeblich soll es das Zugeständnis Beiersdorfers gegeben haben, noch einen "Sechser" für die Spieleröffnung zu verpflichten, was dann aber nicht umgesetzt wurde.

           

          Also setzte Labbadia zunächst auf seine offensiven Wunschspieler Kostic und Woods - sehr zum Ärger von Beiersdorfer und Kühne, der zumindest den Halilovic-Deal finanziell stemmte. Mehr als die Ergebnisse habe die sportliche Leitung gestört, dass der HSV in 5 Spielen lediglich acht Chancen herausspielen konnte.

           

          Im übrigen hat Labbadia den HSV sportlich stabilisiert und ein konkurrenzfähiges Team aufgebaut. Den ersten großen Umbruch gab es im Sommer 2015 nach der geschafften Relegation. Der 10. Platz in der letzten Saison war weder Glück noch Zufall sondern das Ergebnis harter Arbeit und absolut verdient.

          • @cursed with a brain:

            Von "Glück" oder "Zufall" hab ich auch gar nicht gesprochen. Sorry - Chancen muss doch nicht der Trainer herausspielen, sondern die Mannschaft. Das sind alles Profis, die schon wissen sollten, wie Fußball gespielt wird. Wenn Beiersdorfer und Kühne Spieler verpflichten, die der Trainer gar nicht auf dem Zettel hat, dann kann man das ja wohl kaum professionell nennen.

            • @Rainer B.:

              Sie sprachen von einer "eigentlich zweitklassigen Mannschaft", die Labbadia "so mit durchgezogen" hätte.

               

              Beides ist falsch. Labbadia hat ein runderneuertes Team aufgebaut, Schon im Sommer 2015 wurden viele alte Zöpfe im Kader abgeschnitten und Verträge überbezahlter Profis nicht verlängert. Bedauern habe ich da lediglich für Jansens Entscheidung, die Karriere zu beenden, den hätte ich gerne weiter im HSV-Trikot gesehen, doch seine anfällige Physis spielte da offenbar nicht mehr mit.

               

              Labbadia hat auch niemanden "mit durchgezogen" - eine sehr absurde sprachliche Formulierung, schliesslich ist es ja nicht der Trainer, der die Punkte holt, sondern das Team. Und das war absolut konkurrenzfähig in 2015, ganz im Gegensatz zur Schiessbude aus dem benachbarten Bremen zum Beispiel.

               

              Hätte sich der noch unerfahrene Kovac nicht am letzten Spieltag mit einer für ihn völlig untypischen Angsthasen-Taktik verzockt, würden wir heute Werder gegen Heidenheim, Sandhausen, Aue oder Würzburg auf dem Spielplan lesen. Und da gehören sie sportlich auch hin.

  • Auch das mit dem "15. Trainer in acht Jahren" ist natürlich Quatsch. Es sei denn, man will unbedingt alle "Interimslösungen", welche die Mannschaft für ein paar Wochen betreuen durften, weil das halt Vorgabe der Ligastatuten ist, mit den "echten" Trainern auf eine Stufe stellen und diese Weitergaben des Traineramtes zwanghaft als "Rauswürfe" hochjazzen.

     

    Tatsächlich waren es neun Trainer in acht Jahren, auch das spricht sicherlich nicht für Kontinuität, ist aber denen, die in ihrer Blase glücklich werden müssen, offenbar einfach zu wenig.

  • Der HSV hat letzte Saison unter Labbadia den 10. Platz erreicht. Es ist nach zwei Jahren Relegation schon sehr verwunderlich, in diesem Zusammenhang von "Stagnation" zu sprechen. Aber anders sprengt die Geschichte wohl die Blase,, in welcher der Autor offensichtlich lebt.

     

    Labbadias Entlassung war nicht erst nach dem Freiburgspiel "beschlossene Sache", Beiersdorfer erklärte bereits gestern morgen, dass er den Trainer am liebsten schon nach dem 0:4 gegen Leipzig freigestellt hätte, die englische Woche sei ihm aber "dazwischengekommen". "Wenn Du so eine Entlassung machst, dann muss das bei allen Beteiligten, vor allem auch bei der Mannschaft, erst einmal sacken. Das geht nicht, wenn Du drei Tage später schon wieder auf dem Platz stehen musst", sagte er im Interview nach der Pressekonferenz im Volksparkstadion.

     

    So ging es in der Argumentation auch weniger um die reine Punkteausbeute, als vielmehr um die "Zahl der entwickelten hochkarätigen Torchancen". Diese läge bei lediglich etwa einer pro Spiel, die Mannschaft habe keine Kreativität im Aufbauspiel, keinen Zug zum Tor.

     

    Hintergrund dürfte aber sein, dass Labbadia seinen Wunschspielern für die Offensive, Kostic und Woods, den Vorzug gab vor Halilovic und Waldschmidt, die von Beiersdorfer (und Kühne) geholt wurden, aber weniger ins Konzept des Trainers passten. Labbadia soll noch "einen Sechser", also einen Spieler für das defensive Mittelfeld als Ballverteiler gefordert, aber nicht bekommen haben. Neutrale Beobachter und Experten sehen nach fünf Ligaspielen auf dieser Position und in der Innenverteidigung die großen Schwachstellen im Hamburger Kader.

     

    Dass Kühne sein "Investment beschädigt" gesehen haben soll, ist nun wieder Teil der erwähnten Blase, denn das Interesse eines Mäzen ist nicht wirtschaftlicher Natur. Für den Fall, dass der von Barcelona gekommene Halilovic beim HSV "einschlagen" sollte, haben sich die Katalanen ohnehin eine Rückkaufoption zu sehr günstigen Konditionen gesichert.