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Galerieempfehlung BerlinDer Schlüssel im Netz

Die taz sprach mit der Künstlerin Chiharu Shiota anlässlich ihrer Rauminstallation „Uncertain Journey“ in der Galerie Blain|Southern.

Chiharu Shiota, „Uncertain Journey“, 2016, Installationsansicht; Courtesy the artist and Blain Southern Foto: Christian Glaeser; © VG Bild-Kunst Bonn, 2016
Beate Scheder
Interview von Beate Scheder

Wer im vergangenen Jahr auf der Biennale in Venedig war, wird sich an ihre Arbeit im Japanischen Pavillon gewiss erinnern: Chiharu Shiota hatte dort für „The Key in the Hand“ den Raum mit einem Boot und einem Meer aus roten Fäden und zahllosen alten Schlüsseln gefüllt. Ihre Installation bei Blain|Southern knüpft daran an, im wahrsten Sinne des Wortes. Wieder arbeitete die Künstlerin mit roten Wollfäden, mit Booten und mit ihrer metaphernreichen Bildsprache.

In einem dicht verwobenen, filigranen Netz entwachsen die Fäden sechs Bootsskeletten aus Metall. Die Fäden symbolisierten für sie menschliche Beziehungen, erklärt die Künstlerin. Wie diese seien sie mal enger, mal loser, mal spannungsvoll, mal verästelt, stets komplex und schwer zu entwirren. Auch an ein Geflecht aus Blutgefäßen oder Nervensträngen könnte man sich erinnert fühlen.

Auf eine „Uncertain Journey“ – so der Titel der Arbeit – will Shiota die Besucher_innen mitnehmen, und ein wenig fühlt es sich tatsächlich so an, wenn man in rotes Licht getaucht zwischen den Booten umhergeht. Dass sich Shiotas Kunst an der Grenze zum Kitsch bewege, wurde oft schon geschrieben. Nicht ganz zu Unrecht. Dennoch: Besonders bei Tageslicht ist die sinnliche Wirkung in den hohen Räumen von Blain|Southern grandios.

Einblick (640): Chiharu Shiota, Künstlerin

taz: Welche Ausstellung in Berlin hat Sie zuletzt an- oder auch aufgeregt? Und warum?

Chiharu Shiota: Ich erinnere mich gut an die Ausstellungen von Erwin Wurm in der Berlinischen Galerie und die von William Kentridge im Martin-Gropius-Bau. Beide Künstler gefallen mir sehr. An William Kentridge mag ich seine Zeichnungen. Erwin Wurms Werk ist sehr sonderbar und bringt mich immer auf neue Gedanken. Wir haben auch schon gemeinsam ausgestellt, z. B. in Tasmanien, aber da war dann nur eine Arbeit zu sehen.

Zeit + Ort

Blain|Southern,Di.–Sa. 11–18 Uhr, bis 12. 11., Potsdamer Straße 77–87

Welches Konzert oder welchen Klub können Sie empfehlen?

Der Sänger von Rammstein lebt im selben Haus wie ich. Wir sind Nachbarn, deshalb wollte ich eigentlich zum Konzert von Rammstein gehen. Leider ist mir dann aber doch etwas dazwischen gekommen.

Welche Zeitung/welches Magazin und welches Buch begleitet Sie durch den Alltag?

Ich lese regelmäßig Kunstmagazine wie Monopol oder Art. Bei Büchern sind es eher japanische. Zuletzt habe ich ein Buch von Hayao Kawai gelesen, das ich sehr interessant fand. Er hat sich damit beschäftigt, wie man die Gefühle anderer Menschen verstehen und Zugang zur Seele eines anderen bekommen kann. Oder auch nicht, denn für Menschen ist es nicht möglich, andere Menschen zu 100 % zu verstehen. Was man denkt, kann man seinem Gegenüber nie ganz vermitteln.

Chiharu Shiota
Im Interview: 

Chiharu Shiota ist 1972 in Osaka, Japan geboren. Sie studierte an der Kyoto Seika University, der Canberra School of Art, der HfBK Hamburg, der HfBK Braunschweig und der UdK Berlin. Ausstellungen u. a. MoMA PS1, New York (2003), National Museum of Art, Osaka (2008), The Museum of Art, Kochi (2013), Kunstsammlung Düsseldorf, K21, Düsseldorf (2015) und aktuell in der Galerie Blain|Southern Berlin.

Was ist Ihr nächstes Projekt?

Meine nächsten Projekte sind das Melbourne Festival in Australien und eine Ausstellung in Japan, im Toyota Museum. Ich werde ein großes rotes Haus aus rotem Garn zeigen und außerdem schwarzes Garn mit Türen. Zeitgleich zu meiner aktuellen Ausstellung bei Blain | Southern ist gerade auch eine Ausstellung in Japan, in Kanazawa zu sehen: fünf Türen mit rotem Garn.

Welcher Gegenstand/welches Ereignis des Alltags macht Ihnen am meisten Freude?

Ich habe zuletzt viel mit Schlüsseln gearbeitet und sammle sie immer noch. Schlüssel interessieren mich als Objekte sehr, weil man sie ständig benutzt, ohne darüber nachzudenken, sie aber gleichzeitig sehr viel Bedeutung haben.

Text und Interview erscheinen im taz.plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg immer Donnerstags in der Print ausgabe der taz

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