Zunehmende Gewalt vor jüdischem Neujahrsfest

ISRAELDie Zahl von Messerattacken meist junger Palästinenser auf Israelis nimmt wieder zu

Die Übergriffe begannen mit dem Streit über Besuchsrechte auf dem Tempelberg

AUS JERUSALEM Susanne Knaul

Israel ist mit einer neuen Welle palästinensischer Gewaltattacken konfrontiert. Seit Ende vergangener Woche gab es sieben zumeist mit Messern ausgeübte Angriffe. Eine Grenzsoldatin kämpft um ihr Leben, nachdem am Montag früh ein junger Palästinenser vor der Altstadt von Jerusalem mit dem Messer auf die Beamtin und ihren Kollegen losging. Ein dritter Grenzpolizist schoss auf den Angreifer und verletzte ihn schwer.

Wenige Stunden später griffen zwei Palästinenser am Grab Abrahams in Hebron israelische Grenzschützer an, die auf die beiden Männer schossen und einen von ihnen töteten. Insgesamt wurden in den vergangenen Tagen fünf Palästinenser und ein Jordanier erschossen. Zwei der Palästinenser waren unweit der Siedlung Kirjat Arba mit ihrem Auto in eine Gruppe Israelis gefahren, die an einer Bushaltestelle standen.

Die Serie der Übergriffe begann vor fast einem Jahr mit dem Streit über Besuchsrechte auf dem Tempelberg in Jerusalems Altstadt. Die Zahl der Juden, die auf das Plateau vor den beiden Moscheen al-Aksa und Felsendom ziehen, nahm in den vergangenen Jahren stark zu. Viele Muslime fühlen sich provoziert, wenn Juden dort beten, auf dem sie selbst exklusive Gebetsrechte genießen.

Denkbar ist, dass das Wiederaufleben der Gewalt mit den bevorstehenden jüdischen Feiertagen zusammenhängt. Anfang Oktober findet das Neujahrsfest Rosch Haschana statt. Möglich ist aber auch ein Dominoeffekt, bei dem sich palästinensische Messerangriffe mit Razzien der israelischen Armee und Verhaftungen ablösen. Die Polizei stockte das Sicherheitsaufgebot um einige hundert Beamte in Jerusalem auf. Israels Minister für Öffentliche Sicherheit, Gilad Erdan (Likud), kündigte an, das Haus des gestrigen Angreifers abreißen zu lassen, um weitere Attentäter abzuschrecken.

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas verurteilte die Angriffe, sprach aber zugleich von „Märtyrern“. Die Welle der Gewalt, hinter der oft sehr junge Menschen stehen, führte er auf ihre „verlorene Hoffnung“ zurück. Am Wochenende war ein zwölfjähriger Junge bei Jericho festgenommen worden, der mit einem Messer und Molotowcocktails israelische Sicherheitskräfte angreifen wollte. Laut Bericht der Tageszeitung Yediot Achronot liegen dem inländischen Nachrichtendienst Schin Beth Hinweise auf fünfzig bis sechzig geplante Angriffe vor. Seit Beginn der Gewalttaten wurden insgesamt rund 230 Palästinenser meist bei Messerattacken, die sie gegen Israelis ausüben wollten, erschossen. Über 30 Israelis wurden ermordet und Dutzende verletzt.