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heute in Bremen„Nicht per se teurer“

ANHÖRUNG Ob ein Gutscheinsystem aus dem Kitaplatz-Chaos helfen kann, erläutern Fachleute

Matthias Güldner

56, Politologe, Abgeordneter für B90/Die Grünen in der Bremischen Bürgerschaft undVorsitzender der staatlichen Kinder- und Bildungs-Deputation

taz: Herr Güldner, wie kann das Kita-Gutscheinsystem spontan helfen?

Matthias Güldner: Das Gutscheinprogramm kann nicht kurzfristig helfen, die benötigten Plätze bereitzustellen. Wenn wir es jetzt einführen würden, könnte es frühestens in zwei bis drei Jahren wirksam werden.

Wie übertragbar ist das Modell auf Bremen?

Durch die Übertragung des Modells von Hamburg nach Berlin wurden bereits viele Erfahrungen gesammelt. Von denen könnte Bremen jetzt profitieren.

Trotz der unterschiedlichen finanziellen Ausstattung?

Die Unterschiede in den finanziellen Möglichkeiten spielen in der Umstellung eine weniger große Rolle. Das teuerste System ist, für Eltern, die keine Kitaplätze haben, auf Klagen hin eine gerichtlich angeordnete Versorgung zu leisten. Das Gutscheinsystem ist nicht per se teurer.

Welche Erleichterungen bietet das System?

Es befreit die Verwaltung von der Aufgabe, jeden einzelnen Kita-Platz zentral zu planen. Stattdessen muss die Behörde nur die Einhaltung der Bestimmungen kontrollieren.

Dem Bremer Senat wurde mangelnde Planung vorgeworfen. Kann das Gutscheinsystem die ausgleichen?

Der Anlass der Anhörung ist ja, dass es zum heutigen Stand mehr als 700 unversorgte Kinder in Bremen gibt. Das wollen wir auf keinen Fall mehr erleben.

Die Gewerkschaft Verdi befürchtet, das Gutscheinprogramm fördere die Tarifflucht, den Ausbau von Kitas ausschließlich in wohlhabenden Stadtteilen und dass dadurch das Investitionsrisiko auf private Träger abgewälzt wird…

Die Träger in Bremen sind zu 99 Prozent gemeinnützig und bestehen aus der Stadt, den Wohlfahrtsverbänden, der Kirche und so weiter. Daher würde das Investitionsrisiko nicht auf die Privatwirtschaft abgewälzt. Und in Berlin und Hamburg gelten die gleichen Tarifbestimmungen wie in Bremen, da ist kein erhöhter Tarifdruck zu bemerken. Die Befürchtungen, die von der Gewerkschaft Verdi angesprochen wurden, gab es in Hamburg ebenfalls. Ich erhoffe mir konkrete Fakten dazu von den Referenten. Genau dafür machen wir ja die Anhörung.

Interview: Elisabeth Nöfer

Öffentliche Anhörung ab 14 Uhr, Haus der Bürgerschaft (Börsenhof A, Raum 416)

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