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Israel-Kritik Deutschland hat ein besonderes Verhältnis zu Israel, das ist aus historischen Gründen unvermeidlich. Gerade deshalb ist unsere Haltung zu Israel ein bevorzugtes Terrain für politische Grabenkämpfe ▶ Schwerpunkt SEITE 43–45 Wie antisemitisch sind wir?

„Was gesagt werden muss“: Teilnehmerin an einem Ostermarsch 2012 mit Günther-Grass-Plakat. Der Schriftsteller hatte kurz zuvor sein umstrittenes Gedicht veröffentlicht, in dem er die deutsche Unfähigkeit zur Kritik an Israel beklagt Foto: Boris Roessler/dpa

Kommen die Einschläge näher – oder werde ich paranoid? Jetzt mal abgesehen davon, dass Bremens Theater die Opernsaison mit Richard Wagners „Parsifal“ eröffnet, mehren sich im Norden Ereignisse, die sich – sagen wir: judenfeindlich anfühlen. Diesem Gefühl geht dieser Schwerpunkt nach.

Da ist beispielsweise die merkwürdige Entfernung des Antisemitismusforschers Samuel Salzborn von seinem Lehrstuhl an der Uni Göttingen. Da ist auch das seltsame Seminar an Hildesheims Hochschule: Dort unterrichtet eine Dozentin über palästinensische Jugendarbeit in Israel. Sie nutzt dazu Lehrmaterial, das – es liegt hier vor – wie die illustrierte Neufassung eines mittelalterlichen Pogromaufrufs wirkt: Juden klauen Kinder, schlachten sie und vergiften die Brunnen. Bloß die Hostienschändung fehlt, so wie jeder Hinweis auf Jugendprojekte. Dank einer Intervention der Wissenschaftsministerin prüft das Berliner Zentrum für Antisemitismusforschung das Dossier.

Und in Bremen, sorry, dass ich das jetzt aufwärme, setzt sich ein Pastor, Beauftragter für interreligiösen Dialog, hin und attackiert per Mail einen jüdischen Journalisten, den er nicht kennt, weil der seine Veranstaltung nicht wahrgenommen hat. Er, der Pastor, hatte Arn Strohmeyer als Referenten in seine Kirche geladen, den manche nur für einen Israelkritiker halten, frei von Ressentiments. Auf mich macht dessen obsessive und einseitige Publizistik diesen Eindruck nicht. Und so scheint Strohmeyers Vortrag auch besagten Pastor derart aufgewühlt zu haben, dass er … Also dem Juden, der schon mal durch unangenehm-drängendes Nachfragen für den Ausfall eines Strohmeyer-Vortrags am Holocaustgedenktag in einer städtischen Einrichtung gesorgt hatte, hat er so richtig eins eingeschenkt. Dass die taz darüber berichtet hat, nahmen uns viele krumm. Wir würden so, hieß es in LeserInnenbriefen, einen Israelkritiker mundtot machen. Und Sarkasmus gehöre zum Dialog. Und das Leben sei kein Ponyhof. Dass sich auch die Jüdische Gemeinde mitgetroffen fühlte – war grad egal.

Vielleicht habe ich eine zu hohe Meinung von unseren LeserInnen, aber ich fand das enttäuschend dumm: Jemanden, den man nicht kennt, per Mail anzupöbeln, ist doch keine Kritik! Und wenn das Ziel gewesen wäre, einen kritischen Dialog zu eröffnen – und der Journalist ist ja kritikwürdig! –, funktioniert das nicht durch Beschimpfung! Das weiß doch auch ein Pastor! Also ging’s nur ums Attackieren – auch wenn’s der Pastor nicht so antisemitisch meinte, wie’s aus ihm brach.

Wahr ist: Es gibt die Neigung, Kritik an Israel als antisemitisch abzutun. Es gibt Belege für deren Dämonisierung. Auch wirkt allenfalls vordergründig heroisch, wenn manche Antisemitismusforscher sagen: Ich diskutiere nicht mit Leuten, von denen ich antisemitische Äußerungen erwarte. Denn die Forscher schreiben ja fest, wann Antisemitismus vorliegt. Das Mindeste wäre, die Gegenrede zuzulassen.

Jetzt hat sich Bremens Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) eingeschaltet. Abraham Cooper, Vizedirektor des Simon Wiesenthal Centers, hatte gefordert, die Stadtregierung dürfe angesichts von Antisemitismus nicht schweigen. In der Heimatzeitung schreibt Sieling deshalb, auch er sei gegen Boykottkampagnen. Was aber nicht gehe, sei, zu behaupten, Bremen stelle sich Antisemitismus „nicht entschieden genug“ entgegen. Wer das tue, verfälsche „die Wirklichkeit“ und füge „unserem Land großen Schaden zu“.

Wer der Nestbeschmutzer ist, die Grünenfraktion mit ihrer Großen Anfrage zum Thema, die Jerusalem Post, der Tagesspiegel, die taz, oder ist sie nicht stets selbst schuld, die Jüdische Gemeinde – auch das müssen wir beim taz-Salon am 13. 9. im Bremer Lagerhaus klären: „Bremen“, so Sieling, „und Bremerhaven“ – gegründet von Senatspräsident Johann Smidt, einem glühenden Antisemiten – seien „seit jeher zwei weltoffene Städte“. Deshalb würden „wir Bremerinnen und Bremer entschieden Widerstand gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“ leisten.

Wären wir also gar nicht antisemitisch? Schön wär’s. Der deutsche Durchschnitt liegt bei knapp über 50 Prozent. Benno Schirrmeister

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