Fest für Flüchtlinge auf Tempelhofer Feld: Willkommen, um zu bleiben
Am Samstag wird auf dem Tempelhofer Feld ein Willkommensfest für Flüchtlinge gefeiert. Eingeladen sind Neu- und Alt-BerlinerInnen.
Unter Berliner Flüchtlingen hat das Wort Tempelhof einen abschreckenden Klang. Keiner möchte in der Notunterkunft mit über 2.000 Plätzen auf engem Raum leben müssen. Das Tempelhofer Feld dagegen ist Spielplatz und Treffpunkt der Stadt – und an diesem Samstag zum zweiten Mal Ort für ein großes Willkommensfest, bei dem sich Menschen aus Berlin, hierher Geflüchtete und Zugezogene kennenlernen und gemeinsam essen, malen, Musik hören und sich informieren können.
„Schön, dass ihr da seid – das ist das Signal, was wir mit dem Picknick an die Flüchtlinge in der Stadt senden wollen“, sagt Oliver Rieger vom Veranstalter-Team, einer Gruppe von Einzelpersonen, die sich im letzten Spätsommer zusammen gefunden hat. „Auch als Gegenwind zu anderen Ereignissen, wie der rassistisch motivierten Diskussion nach der Kölner Silvesternacht oder den vielen Anschlägen auf Flüchtlingsheime.“ Mit dem Bild eines gemeinsamen Festes wollen sie rechter Rhetorik etwas entgegensetzen.
Das Picknick findet zum zweiten Mal statt, das Anliegen der Veranstalter hat sich im Vergleich zum letzten Jahr verschoben: „Im ersten Jahr ging es vor allem um das Ankommen, dieses Mal mehr ums Bleiben“, sagt Rieger. Die Veranstalter haben daher vor allem Initiativen und Organisationen eingeladen, die sich mit Integration befassen: Es gibt Infostände zur medizinischen Versorgung von Flüchtlingen, zu Bildungsangeboten wie der Refugee-Academy, bei der Flüchtlinge Kurse in ihrer Muttersprache geben, zu Vernetzung oder Kunst-Projekten.
Die seit letztem Sommer nach Berlin gekommenen Flüchtlinge sind der Anlass für das Picknick, aber sie sollen ganz ausdrücklich nicht die einzigen Gäste sein. Der Nachmittag soll nach Wunsch der Veranstalter vielmehr alle ansprechen und Geflüchtete, Nichtgeflüchtete und Initiativen zusammenbringen. „Mit den Infotischen wollen wir Flüchtlinge über Rechte und Möglichkeiten informieren, aber wir wollen damit auch den Menschen, die schon länger in Berlin leben, zeigen, wo und wie sie sich engagieren und einbringen können“, erklärt Rieger. „Die Bereitschaft, sich zu engagieren, ist weiterhin groß, aber teilweise fehlt es vielleicht an dem Wissen, was man tun kann“, sagt er. Die Veranstalter wollen auch diejenigen erreichen, die sich nicht sowieso schon engagieren, die sich vielleicht ein, zwei Stunden in der Woche sich irgendwo einbringen möchten.
Aber vor allem, das betont Rieger immer wieder, soll das Picknick ein Rahmen sein, in dem Begegnungen stattfinden und bei dem alle miteinander einen schönen Nachmittag verbringen können – ohne Druck und irgendwelche Anforderungen. Es soll einen Raum dafür bieten, dass Geflüchtete und Berliner zusammenkommen und sich näher kennenlernen. Und einfach mal Alltag miteinander verbringen können.
Denn obwohl Flüchtlinge in der öffentlichen Diskussion eine große Rolle spielen, sind die Berührungspunkte im täglichen Leben noch immer gering. Die Begegnung muss oft von beiden Seiten aktiv gesucht werden, es ist leicht möglich, nebeneinander her zu leben. Engagement ist eben nur die eine Seite: Sie unterstützt das Ankommen. Fürs Bleiben sind gleichberechtigte Begegnungen und ein zusammen erlebter Alltag wichtig.
Wo: Das Willkommenspicknick findet am Samstag von 12 bis 20 Uhr auf dem Tempelhofer Feld statt, genauer gesagt auf der Wiese am Eingang Oderstraße Ecke Herrfurthstraße in Neukölln.
Was: Neben einer großen Essenstafel soll es Musik und ein Bühnenprogramm geben, außerdem Infostände, Workshops für Erwachsene und Kinder, eine Kunstausstellung und eine Rechtsberatung für Flüchtlinge.
Wer: Auf Facebook haben schon Tausende ihr Kommen bekundet – eingeladen sind jedenfalls alle, egal ob Urberliner, zugezogen oder gerade erst angekommen. Essen nicht vergessen! (usch)
Konkret bedeutet das am Samstag vor allem gemeinsames Essen. „Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollen gern Essen mitbringen, und gern viel, es wird eine große gemeinsame Tafel geben, an der sich alle bedienen können“, sagt Rieger. „Und das kostet nichts.“
Außerdem gibt es eine Bühne, auf der unter anderem Fattouch auftreten werden, eine Band, in der Musikerinnen und Musiker aus Syrien, Libanon, Rumänien, Frankreich und Deutschland zusammenspielen. „Wir haben Bands ausgewählt, in denen Geflüchtete mitspielen, die vielleicht Identifikationsmöglichkeit für die Gäste sein können“, sagt Rieger. Im Zelt kann den ganzen Tag über gemalt werden. Dort sind auch Bilder ausgestellt, die Flüchtlinge in Tempelhof gemalt haben, es gibt ein Programm für Kinder und Workshops, bei denen Schmuck gebastelt oder über die Nachhaltigkeitsziele der UN diskutiert werden kann.
Und um das Kennenlernen zu befördern, können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Briefe schreiben, die dann auf dem Fest ausgeliefert und beantwortet werden können. Die Veranstalter wollen auch über den Tag hinaus etwas bleibendes schaffen, sagt Rieger. „Vielleicht setzen sich diese Brieffreundschaften ja auch nach dem Willkommensfest fort.“
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