: Neue Fräuleins für das Land
US Open Die neue Hackordnung im deutschen Damentennis: Hinter Kerber rücken neue Gesichter in den Blickpunkt, während Petkovic und Lisicki deutlich zurückfallen
aus New York Jörg Allmeroth
Als Angelique Kerber vor fünf Jahren sensationell ins Halbfinale der US Open vorstieß, war der Begriff des neuen deutschen Fräuleinwunders längst geprägt. Andrea Petkovic, Sabine Lisicki und Julia Görges – sie waren noch vor Kerber da. Jetzt aber steht Kerber an der Spitze, ist besser denn je. Sie ist so stark, dass sie bei den offenen Amerikanischen Meisterschaften 2016 sogar den erneuten Angriff auf Platz 1 der Weltrangliste starten kann. Zwei Siege hat sie schon erkämpft in Flushing Meadows, in Runde 3 trifft sie auf die Amerikanerin Catherine Bellis.
Die Spielerinnen allerdings, die vor ihr da waren, fallen immer weiter zurück. Schon bei den vorherigen Höhepunkten ist der Generationswechsel augenfällig geworden. Petkovic, ehedem die erste, schied bei den US Open gegen die 18-jährige Teenagerin Belinda Bencic aus der Schweiz aus. Lisicki, die noch vor drei Jahren mit dem Sturm ins Wimbledon-Finale auf die Titelseiten geriet, wird nach dem frühen Aus aus den Top 100 fallen. Und Julia Görges wird mittlerweile eher als erstrangige Doppelspielerin wahrgenommen.
Und von hinten rücken neue Spielerinnen auf: Laura Siegemund gehört dazu, Annika Beck. Oder Anna-Lena Friedsam, die Rheinländerin, die noch nicht ihr großes Potenzial auszuspielen vermag, gleichwohl aber auf Platz 46, also vor Görges und Lisicki steht. Und bald könnte auch Carina Witthöft dazustoßen; die clevere Hamburgerin erreichte in New York erneut die dritte Runde bei einem Grand-Slam-Turnier und darf sich nun dem prickelnden Duell mit Vorjahresfinalistin Roberta Vinci stellen. Bezeichnend, dass Witthöft am Mittwochabend mit Julia Putintsewa jene Spielerin aus dem Rennen warf, die zuvor Lisicki demontiert hatte.
Für das Erstarken der jüngeren Generation stand sogar die Düsseldorferin Antonia Lottner: Die hochgewachsene Nachwuchskraft, einst eine der besten Juniorinnen der Welt, hat sich nach endlosen Rückschlägen und Enttäuschungen nun endlich auch im Erwachsenentennis etabliert und weckte mit ihrer erstmaligen Qualifikation für ein Hauptfeld neue Hoffnungen.
Petkovic und Lisicki, jahrelang in der vorderster Reihe, stecken dagegen tief in der Ergebniskrise. Und fallen immer weiter zurück. Lisicki, noch 2012 auch eine tragende Kraft im deutschen Olympia-Aufgebot, war jüngst gar nicht mehr bei den Rio-Fahrerinnen dabei. Petkovic, die es noch in den Kader schaffte, war nur eine Randfigur im olympischen Turnier, anders als ihre Freundin Kerber, die im Endspiel und als unglückliche zweite Siegerin die Zuckerhut-Metropole verließ.
Die Geschichte der beiden Freundinnen entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Schließlich war es Petkovic, die Kerber vor fünf Jahren beschwor, nicht mit dem Tennis aufzuhören und noch einmal einen Anlauf bei den US Open zu nehmen. Damals war Petkovic die Frau mit dem starken Ego, die ihre Hilfe auch im Gefühl eigener Stärke anbot. Nun kann sie ihre „Olle“ Kerber in der Rangliste nur noch mit dem Fernglas betrachten – von viel weiter unten.
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