: Bolleruper Logik
Niemand hat das Wesen der Schleswig-Holsteiner je treffender beschrieben als Siegfried Lenz in seiner Kurzgeschichtensammlung „Der Geist der Mirabelle“ aus dem fiktiven Dörfchen Bollerup. Dort heißen alle Ureinwohner Feddersen, so auch der fahrende Fischhändler Thorsten und der Großbauer Jens Otto. Letzterer kauft ersterem niemals Fisch ab, wenn der mit seinem Fischauto auf den Hof gefahren kommt, doch Thorsten kommt immer wieder. Bis Jens Otto eines Tages – ob genervt, aus Mitleid oder aus Einsicht, bleibt offen – durchblicken lässt, nächste Woche Fisch kaufen zu wollen. So geschieht es auch, der Handel findet statt. Doch als Thorsten eine weitere Woche später wieder bei Jens Otto auftaucht, ist der wütend. Der Fisch sei halb verdorben gewesen, schimpft er. Das könne sein, gibt Thorsten zu, dann aber zu bedenken, wenn Jens Otto gleich vor acht Tagen gekauft hätte, wäre der Fisch noch ganz frisch gewesen. Jens Otto ist sprachlos ob dieser, wie Lenz sie nennt, „besonderen Bolleruper Logik“. Und erhält von Thorsten kostenlos noch einen guten Rat: „Merk’s Dir, lern’was draus und sag’s den anderen.“ SMV
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