Nachruf
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Henning Voscherau wurde 75 Jahre alt Foto: dpa

Der Kapitän von Hamburg

Wer in Hamburg Bürgermeister, also auch Chef eines Bundeslandes werden will, sollte über exzellente Verwaltungskenntnisse verfügen, darf aber nicht wie ein Beamtenschwengel aussehen oder bei öffentlichen Auftritten auch nur daran erinnern, eigentlich ein gehoben gebildeter Ärmelschoner zu sein. Henning Voscherau, Sohn eines Schauspielers und der hanseatischen Bühnenkultur verbunden, hatte diese Aura verinnerlicht. Stets von tadellosem Äußeren, immer etwas forsch und belehrend im Ton: Dieser Mann war prädestiniert, den Posten des Bürgermeisters zu bekleiden – denn er vermochte eben immer, wie eine Art Reeder oder Kapitän Ausstrahlung zu entfalten.

Am 8. Juni 1988 war es so weit: Der 1941 gebürtige Hamburger beerbte Klaus von Dohnanyi auf dem Bürgermeisterstuhl. Fortan galt in Hamburg wieder das politische Hygienegesetz: Mit den Grünen niemals. Voscherau – und mit ihm weite Teile seiner biestrig-pfründenverteidigenden sozialdemokratischen Partei – verabscheute die Ökos, er mochte deren informelle Art nicht, er, der selbst als Notar einen ihm gemäßen Beruf ergriffen hatte. Wenn Voscherau Anhänger der Grünen schätze, dann nicht weil, sondern obwohl sie aus den alternativen Szenen kamen. Viel zu kleinteilig, pflegte er über die Ansprüche der ökologischen Opposition zu sprechen, als seien sie ungehörig und kleinkrämerisch.

Voscherau, ein Mann der in der Tat feinen, keineswegs leutseligen Diktion, trat 1997 nach einer Bürgerschaftswahl von seinem Posten zurück: Er sollte mit den Grünen koalieren, er wollte lieber mit der Wut- und Mäkelbürgerformation von der Statt Partei. Nein, da hatte er Ehre – das wollte er sich nicht antun.

Aber eine Erbschaft hat er doch hinterlassen: Auf ihn geht die Hafencity zurück, ein neuer Stadtteil an der Elbe, der bis dahin zur EU-zollfreien Union gehörte. Ein Milliardenprojekt inklusive Elbphilarmonie ist das bis heute. Voscherau blieb einflussreich in seiner Partei, ein Konservativer mit Bürgerappeal, ein glühender Sozialdemokrat der so gar nicht jusohaft-rebellischen Sorte. In der Nacht zum Dienstag ist er im Alter von 75 Jahren an den Folgen einer Hirntumorerkrankung gestorben. Jan Feddersen