Die Macht der Gewohnheit

Routine Im Sommer ging es nach Cuxhaven. Dabei ist es dort doch gar nicht so besonders. Denn der Charme des Ortes erschließt sich erst mit der Zeit

Immer wenn der lang ersehnte Sommer kam, diese paar Wochen, an denen sich der graue Schleier über Bremerhaven ein wenig lüftete, passierte es: Ich musste mit meiner Familie nach Cuxhaven fahren –und ich verstand nie, warum. Es fing schon damit an, dass es dort doch keinen Deut schöner war. Das ging mir durch den Kopf, wenn wir über die überdimensioniert breiten Straßen Richtung Duhnen oder Sahlenburg sausten, vorbei an den Satteldachhäusern für die Einheimischen und den Bettenburgen für Touristen.

Die Aussicht auf 20 Minuten Hüpfvergnügen auf einem der ausgeleierten Trampoline hinterm Deich, die damals noch nicht jeder Hans und Franz in seinem Vorgarten stehen hatte, und die kleinen Jan-Cux-Sticker auf den VW-Passatheckklappen der Urlauber stimmten missmutige Kinder wie mich ein wenig milde. Das viele Eis, das man auch damals schon in rauen Mengen in sich reinlöffelte, tat das Übrige.

Doch verstanden habe ich es damals nicht: warum Cuxhaven? Na gut, es liegt an der Nordsee, aber das Wasser ist ständig weg. Ich glaube, Cuxhaven-Fans mögen diesen Widerspruch: Sie fahren ans Meer, um das Watt zu erblicken.

Es soll ja auch Leute geben, die gar nicht gerne schwimmen. Zum Beispiel die vielen Familien, für die das Watt ein riesengroßer Matsch-Sandkasten darstellt, in dem sie nicht ständig auf ihre Kleinen aufpassen müssen.

Heute fahre ich gerne nach Cuxhaven. Vielleicht ist es der Urlaubscharme der Nachkriegsmoderne, der sich an Orten wie der Passage an der Duhnener Strandstraße oder am Musikpavillon immer noch breitmacht. Es sind aber auch die Fischteller, serviert auf Fischtellern, die hier sogar im Schnellrestaurant schmecken.

Es heißt, dass wer anfängt, Gewohnheiten etwas abzugewinnen, zu altern beginnt. Vielleicht ist Cuxhaven auch deshalb ein Rentnerparadies – in dem sich sogar Jüngere verhalten, als wären sie kurz vor der Frühverrentung.

Heute überlege ich jedes Mal von Neuem: Was tun bei diesem schönen Wetter? Früher war das einfacher. Irgendwie haben diese Routinen auch etwas für sich. Lena Kaiser