Papst in Polen

So hatten sich die polnischen Katholiken das damals nicht vorgestellt, als sie Franziskus einluden, zum Weltjugendtag zu kommen

Zeichne ein schönes Bild

Katholiken II Polens Außenministerium gibt den Gasteltern der Jugendlichen auf dem Weltjugendtag in Krakau einen seltsamen Ratgeber an die Hand

WARSCHAU taz | „Meckere nicht rum!“ lautet einer der ersten wichtigen Ratschläge für polnische Gastgeber, die während des katholischen Weltjugendtages Jugendliche aus dem Ausland bei sich aufnehmen wollen.

Offenbar hatte die rechtsna­tio­nale Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), die seit Oktober in Polen regiert, Sorgen, dass die eigenen Bürger dummes Zeug erzählen könnten. Also wurde ein Leitfaden mit „praktischen Ratschlägen“ gedruckt und an die Gasteltern verteilt.

„Die Gäste sehen ein schönes Land“, steht da zum Beispiel. Dabei hatte die heutige Premierministerin Beata Szydło noch im Wahlkampf gerne vor abbruchreifen Fabriken posiert. Polen liege vollkommen darnieder, war damals die Botschaft.

„Probleme gibt es in jedem Land. Deren genaue Beschreibung ist zeitraubend und birgt die Gefahr in sich, dass du schlecht verstanden wirst“, lauten die nächsten Tipps, die Polens Außenministerium den polnischen Gastgebern ans Herz legt. „Konzentriere dich besser auf ein positives Bild!“

Tatsächlich wäre es nicht ganz einfach, den Gästen aus Frankreich, Italien, Deutschland oder auch Argentinien und Brasilien zu erklären, welche Folgen bislang der „gute Wandel“ durch die PiS in Polen zeitige. Dass die EU ein Prüfverfahren zur Rechtsstaatlichkeit in Polen eingeleitet hat, weil die PiS das Verfassungsgericht lahmlegte und ein verfassungswidriges Gesetz nach dem anderen verabschiedet. Dass die Meinungsfreiheit eingeschränkt wurde. Alles viel zu kompliziert. Hier ist besser Schweigen angesagt.

Positiven Themen sind gleich mehrere Kapitel gewidmet. Im Ratgeber-Teil wird noch empfohlen, zum polnischen Papst Johannes Paul II. im Internet nach Informationen zu suchen, sehr gut sei die polnische Wikipedia-Papst-Seite.

Dann kommen auch schon die Kapitel zur Geschichte, die als „positive Themen“ fast alle in einen katholischen Kontext gestellt werden. So beginnt Polens Geschichte mit den „christlichen Fundamenten der polnischen Identität“ und dem Hinweis, dass „der Glaube an Christus für uns Polen eine Selbstverständlichkeit“ sei.

In der Zeit des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust wiederum steht die „uneigennützige Hilfe der christlichen Polen für die von den Deutschen verfolgten Juden“ im Mittelpunkt. Dass es auch zahlreiche Pogrome vor, während und nach dem Krieg gab, wird verschwiegen, ebenso wie die Vertreibungen der Deutschen und Ukrainer oder die antisemitische Hetze 1968, die die letzten Juden bis auf einen kleinen Rest aus dem Land trieb.

Das linksliberale Nachrichtenmagazin Newsweek Polska hofft, dass die polnischen Gasteltern den Ratgeber „Botschafter des Polentums“ mit der neuen Staatsideologie gleich in die Tonne werfen. Statt Zeit mit der Lektüre zu vergeuden, sollten sie besser den Jugendlichen ganz offen begegnen, Ausflüge mit ihnen unternehmen und – statt die neue Staatsdoktrin einmal durchzudeklinieren – ganz einfach Spaß haben.

Gabriele Lesser