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Den Widersachern Russlands ein Schnippchen geschlagen

Reaktionen Russische Sportfunktionäre und Politiker atmen auf. Sportminister Mutko bescheinigt dem IOC „Objektivität, Seriosität und Ausgewogenheit“

KIEW taz | Russlands Turner beschweren sich über die Unterkünfte im Olympischen Dorf in Rio. Die sanitären Anlagen ließen zu wünschen übrig, beklagt sich Walentina Rodionenko, die Trainerin der russischen Turner, gegenüber der Nachrichtenagentur TASS. „Offensichtlich hat man hier nicht mit unserem frühen Eintreffen gerechnet“, so Rodionenko.

Die Botschaft hinter dieser Beschwerde der Trainerin ist klar: Russland hat seinen Widersachern wieder einmal ein Schnippchen geschlagen. Die russische Olympiamannschaft kommt früher im Olympischen Dorf an, als es die brasilianischen Gastgeber erwartet hätten. Die wichtigste Hürde, die Erfüllung des Olympischen Mottos „Dabei sein ist alles“, hat sie schon geschafft.

Ein hörbares Aufatmen war durch die Reihen der russischen Sportfunktionäre und Politiker gegangen, als die Entscheidung des Olympischen Komitees (IOC), die russische Mannschaft nicht gänzlich von den diesjährigen Spielen auszuschließen, bekannt wurde. Daraufhin dürfte wohl sehr viel Wodka und Sekt geflossen sein, mutmaßt der Blogger Andrej Nikulin.

Zwar ist Russlands Leichtathletikmannschaft insgesamt von den Spielen ausgeschlossen, Funktionäre des russischen Sportministeriums erhalten keine Akkreditierung. Aber: Dies sei das Beste, was Russland in dieser Situation noch hat bekommen können. Das Olympische Komitee habe „Objektivität, Seriosität und Ausgewogenheit an den Tag gelegt“, freut sich Sportminister Witali Mutko.

Sportlich, gerecht – oder auch: zum Weinen

„Eine sehr sportliche Entscheidung“, lobt der Dumaabgeordnete und dreifache Goldmedaillengewinner im Ringen, Alexander Karelin. „Die Hauptsache ist, dass unsere Sportler mit unseren Fahnen antreten können“, freut sich auch Valentin Balach­ni­tschew, Präsident des Russischen Leichtathletik-Verbandes.

Der Vorsitzende des Sportausschusses des russischen Parlamentes, Dmitri Swischtschew, findet den Beschluss „gerecht“. Auch die oppositionelle Nowaja Gaseta freut sich: Entscheidend sei, dass nicht die gesamte russische Mannschaft disqualifiziert worden sei. Russland habe zwar eine kräftige Ohrfeige erhalten, es hätte jedoch schlimmer kommen können.

Sehr enttäuscht zeigte sich hingegen Jelena Issinbajewa, mehrfache Olympiasiegerin und Weltmeisterin im Stabhochsprung. Sie gehört zu jenen, die wegen des Dopingskandals nicht teilnehmen dürfen. „Das war’s – unser Kampf für Rio ist schon beendet. Das Schicksal hat es eben nicht gewollt, dass ich noch einmal auf dem Siegerpodest einer Olympiade stehen kann. Es ist zum Weinen, unsere Hilflosigkeit angesichts dieser Rechtlosigkeit und Willkür“, so die Sportlerin. Gleichzeitig kündigte sie eine Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen die Sperrung der russischen Leichtathletikmannschaft an.

Sie werde sich auch dafür einsetzen, dass Julia Stepanowa lebenslänglich gesperrt bleibt. Die russische Sportlerin habe gedopt, es sei nicht einzusehen, warum sie nun vom IOC wie eine Heldin behandelt werde, zürnte Issinbajewa.

Whistleblowerin Stepanowa hatte mit ihren Informationen über das russische Dopingsystem den Stein erst ins Rollen gebracht. Allerdings darf sie wegen ihrer Doping-Vergangenheit nicht starten. Dagegen gibt es auch Kritik: „Es ist ein Fehler gewesen, Stepanowa zu sperren“, kritisiert Wadim, der in Moskau Sport studiert. Der Kampf gegen Doping lebe doch davon, dass immer wieder Sportler auspacken. „Niemand packt aus, wenn er weiß, dass er davon keine Vorteile hat.“

Mit der Sperrung von Stepanowa sei allen Sportlern klar, dass Whistleblowing im Sport nur Nachteile bringe.

2018 ist Russland Gastgeber der Fußballweltmeisterschaft. Eine weitere Blamage kann sich das Land, das sich die Olympischen Winterspiele in Sotschi 2014 immerhin 50 Milliarden Dollar hat kosten lassen, nicht mehr leisten. Bernhard Clasen

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