Olympische Spiele

Die russischen Leichtathleten dürfen wegen systematischen Dopings nicht in Brasilien starten, entscheidet der Sportgerichtshof

Katzenjammer in Moskau

Russland Der Kreml äußert sich bislang zurückhaltend zu dem Urteil

MOSKAU taz | „Jetzt bleibt nur noch die Hoffnung auf das IOC“, sagte die zweifache Olympiasiegerin im Stabhochsprung Jelena Issinbajewa nach dem Schiedsspruch des Internationalen Sportgerichtshofs CAS. Issinbajewa wirkte niedergeschlagen. Die 34-jährige Wolgograderin hatte verbissen und in vorderster Linie für eine Aufhebung der Startsperren der russischen Leichtathletikkollegen ohne Doping-Vita gekämpft.

In Russland herrscht Katzenjammer. Dass massiver Betrug auch Konsequenzen haben könnte, will die stolze Sportnation bis dato nicht wahrhaben. Auch Sportminister Witali Mut­ko blieb im vertrauten Angriffsmodus. „Das ist eine subjektive und auch ein wenig politisierte Entscheidung ohne irgendeine juristische Basis“, sagte der Minister. Überdies sei es ein „präzedenzloses Urteil, das den Sport erniedrigt.“ Russland werde das nicht auf sich sitzen lassen, so der angezählte Mutko – der IAAF versinke selbst in Korruption. Ein unglücklicher Versuch, sich noch aus der Verantwortung zu winden.

Russland zürnt, und es dürfte noch lauter werden, wenn ein Bann Moskaus gesamte Mannschaft treffen sollte. Der Kreml äußerte sich indes zurückhaltender. Wladimir Putins Sprecher nannte die „kollektive Verantwortung“ auch für saubere Athleten „aus unserer Sicht kaum akzeptabel“. Man werde die „Lage jetzt operativ analysieren“, sagte Dmitri Peskow. Ein möglicher Boykott der Spiele werde aber nicht erwogen. Dazu hatte der sportpolitische Sprecher und Duma-Vize Igor Lebedew aufgerufen.

Auf einen taktischen Fehler des Russischen Olympischen Komitees ROK wies der dreifache Ringer-Olympiasieger Alexander Karelin hin: Unklug sei es gewesen, vor der Entscheidung des Sportgerichts die suspendierten Leichtathleten schon in den Gesamtkader der Olympiamannschaft zu übernehmen. Karelin spielte damit auf die Hybris russischer Sportfunktionäre an, die Feingefühl in heiklen Situationen vermissen lassen. Wo Moskaus Arm nicht hinreicht, dort kommen auch grobe Methoden nicht an.

Nach außenpolitischen Erfolgen erkennt Russlands politische Führungsschicht: Wenn sie nach Regeln spielt, sind ihr die Hände gebunden – dem Dopingskandal hat sie nichts entgegenzuhalten. An wen sollte sie sich wenden in dieser Lage, fragt der Politologe Andrei Kolesnikow – an Obama oder die UNO? Einziger Zuhörer sei das heimische Auditorium.

Klaus-Helge Donath