FLEISCHSKANDAL IN BAYERN: ES MANGELT AN KONTROLLEN: Gute Zeiten für Betrüger
Es hätte niemals passieren dürfen, schon gar nicht in Bayern. Schließlich soll im Freistaat ein dreistufiges Kontrollsystem verhindern, dass Fleischreste, die nicht für den menschlichen Verzehr geeignet sind, in die Lebensmittelkette gelangen. Und doch ist nun genau das passiert. Ein einschlägig vorbestrafter Fleischkaufmann konnte hunderte von Tonnen Fleischabfälle nach Deutschland einführen, wo sie wahrscheinlich zu appetitlichen Tortellini und – in Form von Gelatine – Wackelpudding verarbeitet wurden. Die verwendeten Tierteile – darunter können Organe, Häute oder Augen sein – sind nicht per se gesundheitsschädlich. Aber sie werden, weil nicht zum menschlichen Verzehr geeignet, im Schlachthof anders behandelt als die „legalen“ Bestandteile. Es gelten andere Vorschriften, etwa bezüglich der Hygiene oder der Kühlung.
Der Grund für diesen jüngsten Lebensmittelskandal liegt auf der Hand: Das ausgeklügeltste Kontrollsystem muss versagen, wenn es nicht vernünftig finanziert ist. Und hier hapert es seit langem. Die Länder, verantwortlich für Lebensmittelsicherheit, sparen an Laboren und Kontrolleuren. Legendär das Beispiel aus Hessen, wo das Personal seine Fahrten zu Schlachthöfen und Fleischverarbeitern selbst bezahlen muss. Der Leidtragende ist – wieder einmal – der Verbraucher. Der allerdings ist auch nicht ganz unschuldig. Für die Fleischabfall-Betrüger, die es wohl in großer Anzahl gibt, besteht nämlich ein besonderer Anreiz für ihr schändliches Tun: der Trend zu immer noch billigeren Lebensmitteln. Dieser hat einen hohen Preis. Wurden früher von einer Kuh mit einem Lebendgewicht von 600 Kilo gerade mal 50 Prozent verwertet, so ist die Quote nach und nach auf 60, 65 und mehr Prozent gestiegen.
Minderwertiges Fleisch umzudeklarieren ist nach wie vor ein gutes Geschäft. Und noch etwas kommt dazu: dass dieses gerade noch irgendwie verwertbare Material aus Knochen und abgekratzten Fleischresten schlichtweg in eine Tierkörperbeseitigung gehört und nicht in Tierfutter. Und schon gar nicht in Lebensmittel. KLAUS WITTMANN
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