GELD Unser Autor hat über 30.000 Euro Steuerschulden. Nun muss er ein Jahr lang jeden Monat fast 2.000 Euro zurückzahlen. Sparen und trotzdem gut leben – wie klappt das?
: Das Wohl der Arbeiter

Von Philipp Mausshardt

Sparen müssen macht einen Menschen klein und leise. Ich merke es am Trinkgeld. Rundete ich früher immer großzügig auf, höre ich mich heute sagen: „Achtundreißig, bitte“, wenn die Rechnung 37,60 Euro lautet. Früher hätte ich „vierzig“ gesagt. Ich sage es etwas leiser als früher, weil ich mich für den bescheidenen Betrag ein wenig schäme. Außerdem besuche ich deutlich seltener eine Gaststätte als vor meiner Pfändung.

Eine Betriebsprüfung durch das Finanzamt hatte mich Anfang dieses Jahres ­finanziell lahm gelegt. In mehreren schon Jahre zurückliegenden und längst bezahlten Steuererklärungen hatte die strenge Prüferin ein paar Unregelmäßigkeiten entdeckt. Nun muss ich den alten Schuldenberg in Monatsraten abtragen. Da bleibt nicht mehr viel übrig für Trinkgeld.

Weil Kleinvieh auch Mist macht, habe ich alle meine monatlichen Ausgaben auf den Prüfstand gelegt. Was kann gestrichen werden? Erst bei der Lektüre meiner Kontoauszüge fiel mir auf, in wie vielen Vereinen ich Mitglied bin. Musste das sein? Jeder Durchschnittsdeutsche ist in fünf Vereinen Mitglied. Es gibt 600.000 Vereine in diesem Land.

Vor Kurzem habe ich per Post eine Anstecknadel und eine Urkunde bekommen. Man beglückwünschte mich zu „25 Jahren Mitgliedschaft in der Arbeiterwohlfahrt Reutlingen“ und bedankte sich für meine langjährige Treue. Ich war noch nie in meinem Leben zu einer Mitgliederversammlung der Arbeiterwohlfahrt gegangen, ja, ich weiß eigentlich gar nicht mehr genau, wann und warum ich dort eingetreten bin. Es muss wohl vor 25 Jahren gewesen sein. Vielleicht war es einfach nur der schöne Klang des Namens: Arbeiterwohlfahrt. Sollte ich jetzt austreten? Wegen 10 Euro im Monat? Schon der Gedanke kam mir schäbig vor.

Ich war kurz davor, an die Gesellschaft für bedrohte Völker e. V. einen Brief zu schreiben. „Sehr geehrte Damen und Herren, leider zwingt mich meine finanzielle Lage meine Mitgliedschaft mit sofortiger Wirkung zu kündigen.“ Aber ich tat es nicht. „Da sind ganze Völker bedroht“, sagte ich mir, „und du nur vom Finanzamt Tübingen.“ Nein, Völker sind wirklich wichtiger als ich. Ich zahle weiterhin gern 10 Euro im Monat, damit die Kalmücken von den Russen in Ruhe gelassen werden.

Bleibt noch der letzte Verein, bei dem ich bin: Das Polyamore Netzwerk e. V., das sind Menschen, die dem schönen Gedanken anhängen, dass man gleichzeitig mehrere andere Menschen lieben kann. Als ich einmal zufällig las, dass dieser Verein in ganz Deutschland nur 60 Mitglieder hat, bin ich halb aus Mitleid, halb aus Überzeugung beigetreten. Und 13 Euro Beitrag im Jahr sind für einen so schönen Gedanken ja auch nicht zu viel Geld.

Ich ließ das Austreten sein. Lieber spare ich woanders.

Vor ein paar Wochen besuchte ich die Mitgliederversammlung des Reporter-Forum e. V., ein Verein, der sich um die Qualität guter Texte in Tageszeitungen und Magazinen verdient macht. Bei der Wahl zum Vorstand suchten sie jemand, der sich mit Geld auskennt. Ich wollte einen Scherz machen und sagte: „Davon verstehe ich wirklich etwas.“

Sie haben mich zum Kassenwart gewählt.